Antike Bodenmosaiken mit verstreuten Blumen und Kirschen kannten ihn schon, Plinius übertreibt ihn in der Legende von den Vögeln, die gemalte Trauben anpickten, weil sie so echt wirkten: den Augenbetrug. Als Teilaspekt der Kunst gefiel er besonders Renaissance und Barock als künstlerisches Metathema, das sich zur Freude des Publikums über alles stellte: Holzintarsien, Teppiche, lebensechte Objekte und die Täuschung durch das Bildmittel Zentralperspektive transportieren dieses amüsante Beiwerk europäischer Malerei als intellektuelles Spiel. Wir erfreuen uns immer noch an dieser idealen Kombination von Wissenschaft und Kunst.

Transformationen


Über die Lektüre von Jean Baudrillard zur Verführung durch Hypersimulation nähert sich eine Gruppe zeitgenössischer Künstler erneut dem alten Thema, wobei sie als Klammer ein holländisches Stillleben des 17. Jahrhunderts integriert, dem Domenico Mühe eine Kopie von Samuel van Hoogstraten, einem weiteren einschlägigen Täuschungswerk der Gemäldegalerie gegenüberstellt. Die ganze grau gestrichene Wand simuliert zusätzlich die Situation des Ausstellens in der musealen Situation der Akademie der bildenden Künste nebenan. Die Kopie ist in die Wand versenkt, zum täuschenden Wandkasten in historischen Privathäusern gewandelt, doch die Frage nach Transformationen bringt noch mehr mit sich. Da ist auch der akademische Lehr-Aspekt von Kopien am Haus selbst, wo bis ins 20. Jahrhundert die Gemäldegalerie und die vielen Gipse genützt wurden.

An den berühmten Hieronymus-Bosch-Altar nebenan erinnert am Rande Franz Bergmüllers kinetisches Arrangement von Pizzaresten: Zwei große Käfer drehen sich durch Uhrwerke, die unsichtbar in der Verpackung eingebaut sind. Thunfischpizzateile, die eigentlich sonst im Mist verschimmeln, werden ob des Getiers bald restauriert werden müssen. Die Struktur der Räume behandelt die Spiralform auf Leinwand von Künstlerkurator Siegfried Zaworka, die über die Wand hinaus in die Decke wie eine bunte Säulenattrappe wächst. Auch die interessanten Beiträge von Nicole Six und Paul Petritsch sind raumgreifend, so ihre Spiegelwand, die sich über sieben Meter durch den Raum bewegt und ganz besonders die Ambivalenz zwischen Überraschung und Bedrohung der Besucher vermittelt.

Tapisserien sind alte Medien für Täuschungseffekte, die heute noch perfekt das Oszillieren zwischen Haut, Fettfleck, Malerei oder Gewebe zu Minuten der Verunsicherung steigern - bei Nicole Miltner wie bei Doris Theres Hofer gelingt das optimal. Anders greifen die mit Schlafsäcken kombinierten Keramikobjekte von Kris Lemsalu in ihre Umgebung ein: Die Gesichter von Mischwesen aus Tier und Mensch bilden mit Sound und möglicher performativer Interaktion ein verunsicherndes Bühnenumfeld. Der Theatereffekt ist nicht neu, schon eher die Natursurrogate, die Almut Rink mit Tutorialvideos digital erzeugt, doch die neu vermessene Wandprojektion kommt letztlich auf den Fensterblick der Zentralperspektive zurück. Mit unserem "Kastelblick" in Handy und Personal Computer haben wir alle Welt bereits zum Opfer unseres Tunnelblicks gemacht.

Hyperrealismen


Die collagierten Teile des Gesichts von Hans Schabus setzen sich nach Zersplitterung für veröffentlichte Inserate in verschiedenen Medien wieder zu einem ganzen Bild zusammen, der Stoß an Zeitschriften liegt noch daneben. Markus Proschek wählte die objektive Malweise des Hyperrealismus für die Übertragung des Elektrokastens im Münchner Haus der Kunst ins Bild - nicht nur die Größenverhältnisse der nationalsozialistische Ästhetik und die damalige Technikverliebtheit kommen zum Ausdruck, die Verführung liegt vielmehr mit den gemalten Schlagschatten wieder in unserem Blick verankert. "Trompe l’il" heißt, die zeitliche Resistenz der westlichen Perspektive und die politische Dimension unseres Blicks noch kritischer zu hinterfragen.

ausstellung

Revers de Trompe

Siegfried Zaworka (Kurator)

Xhibit

Bis 8. November