Wien. Hans-Peter Wipplinger und Gabriele Langer als neues Direktorium des Leopold Museums müssen sich neben ersten Akzenten in der Programmierung stärkende Maßnahmen in Sachen zukünftiger Finanzierung überlegen, denn die Hoffnung einer erhöhten Basisabgeltung durch den Bund wird dabei - angesichts eines geplanten Hauses der Geschichte - sicher nicht erfüllt werden. Zum Glück kann sich, worauf Wipplinger und Langer bei ihrer Programmpräsentation deutlich hinwiesen, das Haus seit Jahren über die hohen Besucherzahlen fast zur Hälfte selbst finanzieren und befindet sich im obersten Ranking mit weltweit 40 Museen.
Ein "Museum der Bürger"
Steigerungen im privaten Sponsoring sollen in Zukunft auch über Partnerschaften mit Unternehmen gelingen, wobei der Vorsitzende des neuen Boards, Georg Pölzl, schon seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem neuen Direktor kooperiert. Verstärkung soll dazu ein internationales Expertenkomitee mit Namen wie Alan Janney oder Bazon Brock zu den Wienern Burghart Schmidt, Monika Faber, Ernst Ploil oder August Ruhs bringen - vor allem für das dem Museum Identität stiftenden Profil "Wien um 1900". Dabei ist auch von neuen Publikationen die Rede. Der Erweiterung des Freundeskreises sowie den Kooperationen mit der Viennale und Impulstanz schließt sich der Wunsch von Wipplinger und Langer an, aus dem Haus ein "Museum der Bürgerinnen und Bürger" zu machen. Das klingt in Wien mehr als ambitioniert, denn außer Max Hollein mit dem Städel in Frankfurt hat das noch keiner geschafft.
Das Programm für 2016 schließt auch Reisen von Kunstwerken und damit Kooperationen mit ausländischen Musen in Sachen Alfred Kubin oder Stimmungsimpressionismus ein. Aus dem Depot bieten sich "Verborgenen Schätze" ab Jänner an, die ihre Löcher, Risse, kaputten Firnisse vorzeigen, um aus dem Mitleid der Besucher Patenschaften anzuregen, was in der ONB gut funktioniert.
Im April starten dann drei neue Ausstellungen zur Dauerpräsentation, die vor allem die dritte Ebene Egon Schiele in einer neuen Hängung bereits seit Oktober widmet. Die Wilhelm-Lehmbruck-Retrospektive bringt den deutschen Star unter Bildhauern der klassischen Moderne erstmals nach Werner Hofmanns Schau 1963 mit 140 Werken wieder nach Wien, wobei es Dialoge mit Schiele, Ernst Barlach und Käthe Kollwitz aus dem Haus und mit Joseph Beuys geben wird.
Korrespondierend zum Thema geschundener Körper, Krieg und Verletzlichkeit passt die Soloschau von Berlinde de Bruyckere, die jene Thematik in der zeitgenössischen Objektkunst auf subtile Art weiterführt.
Debatte um "Primitivismus"
Die dritte Schau gilt Theodor von Hörmann ab 29. April, dem einzigen wahren Impressionisten Österreichs. Am meisten Diskus-
sion bringt wohl die postkoloni-ale Sicht von Erwin Melchart
und Ivan Ristić auf "Fremde Götter. Stammeskunst im Kontext
der Moderne", die wieder ein-
mal aus dem schier unergründlichen Fundus des Sammlers Rudolf Leopold gespeist werden kann. Wenn in Wien eine seriöse Fortsetzung der Debatte um "Primitivismus" als "Missverständnis der Moderne" gelingt, wäre das freilich die große Überraschung des Jahres.
Ab Oktober können die Gegenwartskunststärken des neuen Direktors dann mit "Poetiken des Materials" an Namen wie Anne Schneider, Misha Stroj, Christian Mayer und anderen auch im 21er Haus präsenten Positionen getestet werden. Was verwundert, ist das Fehlen von Fotografie und der Neuen Medien, vielleicht auch des Performativen, aber das kann ja 2017 noch folgen.
Der Bau der "Libelle" am Dach des Hauses ist weiter in Planung, wobei die Finanzierung auch hier nur durch Steigerung der Besucherzahlen, der Spenden und Einnahmen durch Veranstaltungen und Vermietungen, aber auch einen Zuwachs der Freundeskreise gesichert werden kann. Den zukünftigen Ausblick auf die Innenstadt und das Museumsquartier sieht man erst einmal als Wunsch-Animation.