Im Zuge von Dekonstruktion, Institutionskritik und anderen politisch korrekten Faktoren in der Kunst, die das Kuratieren schon lange als elitären Akt verurteilen, gab es Ausstellungen über anonyme Kunst wie in der Frankfurter Schirn 2007 oder im Xhibit der Wiener Akademie 2013, die das Subjekt in Frage stellten. An nicht musealen Orten wird zur Benützung und zum Selbstarrangement eines aktiven Betrachterpublikums aufgerufen - auch nicht neu nach Marcel Duchamps Staubzucht 1920 im leeren Galerieraum. Ihm folgten Andy Warhol oder Marcel Broodthaers auf den Pfaden der großen Befreiung.

1966 verwirrten Warhols "Silver Clouds", spiegelnde und schwebende Skulpturen in Polsterform, die Besucher der Galerie Leo Castellis in New York. Ging es da vielleicht noch um unfreiwilliges Involvieren der Besucher, folgt die neue Schau der Kunsthalle am Karlsplatz, "One, No One and One Hundred Thousand", diesen und anderen Vorbildern zeitgeistiger Teilnahmestrategien und Kunstbenutzer-Empfehlungen des verstorbenen Franz West. Stühle aus seinem Atelier sind von Jonathan Monk ausgewählt worden, dazu ein als Garderobe dienende Hängevorrichtung des Wiener Altmeisters. Daneben sechs fragile Kanisterskulpturen aus Terrakotta von Phanos Kyriacou, zwei gebogene Hämmer aus schwerem Polyesterguss von Marlie Mul, die im Unterschied zu den im Raum verteilten Mistarrangements von Jason Dodge nicht die Veränderung durch einen Besen erfordern, sondern auch die Mithilfe einer eigens informierten Aufsichtsperson, mit der ein zum Kurator mutierender Besucher interagiert.

Kurzfassung: Man bekommt eine Anleitung, die auch Verhaltenskodex ist, und dann kann (mit weißen Handschuhen) die an einem Ende des Raumes geschlichtet stehende Kunst im Raum (gemeinsam mit der Aufsichtsperson) arrangiert werden. Am Schluss der Disposition (immer nur aller Exponate) wird der Zustand fotografiert und die sich ständig verändernde Struktur der Schau ist als Polaroid Dokument für den Katalog. Das selbst gebaute Theater hat nur wieder Einschränkungen der Freiheit, denn die Kreativität darf nicht von außen durch Werke bereichert und nicht im Team mit anderen passieren.

Gegängelte Freiheiten

Nur am ersten Tag bleibt bis zur Eröffnung Kurator Luca Lo Pintos Grundkonzept stehen, dann will auch der Direktor einmal seine konzeptuellen Freiheiten im Glaskubus genießen, aber vor allem ist es sozialer Spielgrund für Besucher. Amalia Picas gerahmte Zeichnungen müssen jedoch an eine genagelte Wand, eigene Graffitis zur Drapierung der "Graffiti Blind"-Jalousie Martin Soto Climents sind nicht erlaubt, doch Erinnerungen an Flipper spielenden Aufseher in Ausstellungen Erwin Wurms oder die Ruhesofas bei Pippilotti Rist oder West schon.

Größter Gegensatz zum freien Angebot bleibt das Auswahlkonzept der Schau, denn diese Werke sind allesamt Auftragskunst mit bestimmten dafür erforderlichen Eigenschaften, und das macht sie genauso unfrei wie die nach einem Thema aus einem Kunstdepot gefischte Kuratorenwahl.

Bleibt der freie Blick über das literarische Vorbild-Buch "Hunderttausend Milliarden Gedichte" von Raymond Queneau mit austauschbaren Form-Strukturen hinaus auf den Mnemosyne-Altas Aby Warburgs, denn darauf gab es tatsächlich den demokratischen Austausch zwischen hohen Kunstwerken und Werbung, offen erweiterbar für alle. Selten war ein Kunst-Denkraum so mobil.