Bis November stehen monumentale Tierköpfe aus Bronze am oberen Schlossteich der Sommerresidenz des Prinzen Eugen. Sie sind Werke des weltweit bekanntesten chinesischen Künstlers und Aktivisten Ai Weiwei von 2011. Die je 500 Kilo schweren Bronzen stehen auf drei Meter hohen baum- oder pfahlartigen Stangen mit schweren Plinthen auf runden weißen Steinpodesten. Sie verbinden das Obere Belvedere bis November gedanklich mit dem alten Sommerpalast in Peking, den Kaiser Qianlong ab 1750 als Geschenk für seine Mutter errichten ließ und der 1860 erstmals und 1900 als Vergeltungsaktion ein zweites Mal von europäischen Truppen zerstört und geschleift wurde.
Tierköpfe mit Geschichte
1750 brachten europäische Künstler barocke Einflüsse für die 140 Gartenpavillons nach Peking. Qianlong war als Dichter auch an barocker Musik und Gartenkunst interessiert, ein wichtiges Vorbild war Versailles. Vor dem Palast stand eine Brunnenanlage nach Entwurf des Malers Giuseppe Castiglione, der den chinesischen Tierkreis in Köpfen auf menschlichen Figuren darstellte; die Mischwesen dienten als Horoskop und auch als Uhr, indem sie alle zwei Stunden Wasser spien. Im Zuge des Zweiten Opiumkrieges 1860 wurden 30 englische und französische Gesandte im Sommerpalast inhaftiert und zwanzig nach Folter getötet. Als Vergeltung folgten der Raub der Kunstwerke und die Zerstörung der Bauten durch die englischen Truppen unter Lord Elgin.
Seit 2000 sind sieben der bronzenen Originalköpfe bei Auktionen durch Mäzene erworben und an China restituiert worden, zuletzt 2013 zwei (Ratte und Hase) aus dem früheren Besitz von Yves Saint Laurent, die fünf noch vermissten macht Ai Weiwei durch leere Podeste zwischen seinen monumentalisierten Köpfen sichtbar.
Doch die Wasseruhr allein genügt dem Künstler, der in alles, was er macht, auch brisante Tagespolitik einbaut, nicht. So schwimmen daneben im Teich auf 201 Ringen jeweils fünf Rettungswesten, was 1005 Hinweise auf die Flüchtlinge ergibt, die über das Mittelmeer nach Europa kommen - wenn sie nicht zuvor ertrinken. "F Lotus" bildet die kalligrafische Form eines F und soll ansonsten wie Lotusblüten am Wasser des imperialen Teichs aussehen. Dem postkolonialen Erinnerungs-Konzept liegen zuerst politische und erst danach ästhetische Inhalte zugrunde.
Wegen der oft "banal" und gefällig anmutenden Wirkung seiner Skulpturen ist der Künstler wiederholt kritisiert worden, doch müssen seine Vorbilder Marcel Duchamp, Andy Warhol und Jeff Koons berücksichtigt werden. In seiner Studienzeit in New York 1981-1993 wandte er sich als Schüler Sean Scullys an der Parsons School of Design neben Tätigkeiten als Gärtner, Tischler und Rahmenbauer der Konzeptkunst zu, verband Kunsttechniken, neue Medien und Wissenschaft.
Autobiografische Bezüge
Er brachte seine neue Sicht nach China, wo er als Kurator einen Kunstraum begründete. Er ließ Kunstbücher drucken, weil die Kulturrevolution viele zerstört hatte. Mit seinem kritischen Computer-Blog wurde er indessen sehr bald - wie zuvor schon sein Vater - zum Verfolgten.
Indirekt hat der Zodiacus mit seiner Familiengeschichte zwischen Ost und West zu tun, nicht nur, weil Ai Weiwei als Architekt am Stadion für die Olympischen Spiele 2008 mit Herzog & de Meuron Osten und Westen verband und 2004 bis 2008 den Masterplan für den Landschaftspark Jinhua (innere Mongolei) mit Pavillons von 100 internationalen Architekten verwirklichen konnte. Sein Vater Ai Qing wurde nach seiner Rückkehr vom Studium in Paris in den 1930er Jahren als Spion verdächtigt und inhaftiert. Im Gefängnis begann er zu schreiben, ehe er mit Familie während der Kulturrevolution als berühmter Dichter an den Rand der Wüste Gobi verbannt und zum Latrinenleerer degradiert wurde.
Die Freundschaft des Vaters mit dem Vater des heutigen Staatspräsidenten Xi Jinping, die Rehabilitierung seiner an französischer Lyrik orientierten Schriften, bewahrte aber den 1957 geborenen Ai Weiwei nicht vor Verfolgung.
ausstellung
Ai Weiwei: Circle of Animals/Zodiac Heads/F Lotus
Belvedere/Garten
Bis 20. November