Viele Ebenen eröffnen sich in Konfrontation mit Daniel Richters Bildern, die sinnlich alles durchspielen von poetisch bis aggressiv, von kitschig bis völlig formlos. Anspielungen auf die Kunstgeschichte (in vulkanischem Orange sogar an Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer") reiben sich mit Comic, Film und digitalen Nachrichten über Subkulturen oder auch die Taliban. Mit Märchen und Sigmund Freud gemixt, ergibt sich durch sexuelle Anspielungen eine recht toxische Mischung. In der ab 2000 einsetzenden narrativen Phase mit Bühnen-Kompositionen sind die Themen Flucht und Umwelt häufig oder Blicke auf Jugendkulturen und Menschen im Untergrund zu finden. Rätselhafte Tierrebellionen neumodischer "Bremer Stadtmusikanten" und andere Zombie-Erscheinungen ohne jede Logik versammeln sich für eine intensive Befragung des Mediums Malerei.

Richter ist Jahrgang 1962, studierte bei Werner Büttner in Hamburg und arbeitete als Assistent von Albert Oehlen. Seine Anfänge, das ist heute schwer zu glauben, liegen in nahezu gegenstandsloser Malerei. Doch kurz nach 1990 mischte er mit gewitzter Rotzigkeit provokante Themen und figurale Elemente mit völlig gegenstandslosen. Figuren konturierte er mit Neonfarben, und ließ sie auch auf konkrete Zitate wie Raster und Streifen treffen. Diese nimmt er in der 2015 entstandenen letzten Serie mit wenigen, zerfallenden Figuren wieder auf.

Nach Gastprofessuren in Hamburg und Berlin, ist Richter seit 2006 in Wien an der Akademie der bildenden Künste Professor für erweiterten malerischen Raum. Die Retrospektive zeigt 52 Werken seit 1996.

Plattencover und Soziologie

In vielen großformatigen Gemälden der bekannten narrativen Phase wie "Tuanus" von 2000 sind zahlreiche Figuren in einem Natur- oder Stadtraum wie auf einer Bühne unterwegs, sie stützen sich an Bäume und wärmen sich am Feuer. Wasser, Wald und Nacht bilden eigene malerische Kapitel. Lyrische Grenzgänge an die alte deutsche Grenze und Wintermärchen kommen in sehr malerischen Kleinformaten zum Tragen.

Richter gestaltet auch Bühnenbilder und Plattencover. Er leitet das Hamburger Plattenlabel Buback, das passt zur für seine Generation typischen engen Verbindung zu Punk und Pop. Daher ist sein der Schau den Titel gebendes Gemälde von 2006, "Lonley Old Slogan", wohl eine Art Selbstbildnis als Punk. In "Dog Planet" steht Richters rebellischen Außenseitern der Gesellschaft die Polizei mit Hunden gegenüber. Auch der entsetzt starrende, liegende Mann mit Clownhose ("Farbenlaare", 2005) unter einer geometrischen Mosaikwand könnte mit seinem bunten Regenschirm der Künstleridentität nahekommen; hier spielt das Farbraster mit Ironie an den berühmten Namensvetter Gerhard Richter an.

"Tarifa" von 2001 mit den Schlauchbootflüchtlingen in orientalisch bunten Gewändern auf schwarzem Meer ist das wohl am meisten abgebildete Werk.

Richter als großem Soziologen seiner Zeit wird aber in "Fool on the Hill" 1999 eine Absage erteilt. Von gesellschaftlichen Problemen fallen wir in die bewegte Welt von Arabesken und Farbflecken, Ölfarbe und Lack, um die Zwiesprache mit Rätseln der Existenz schnell zu verlassen. Graffiti spielen auch in die Paraphrase vom deutschen Meister und "Vinalis" mit hinein. Die Werke sind auch keine Sympathiekundgebungen für Outlaws, denn seine "Idealisten" zerstören und "Francis, der Fröhliche" schlägt auf andere ein, auf der Sohle eines Fußtreters mit Vogel am Schuh kommt die Signatur daher.