Auf der Suche nach dem poetisch-metaphorischen Potenzial von Prothesen: Mari Katayamas "bystander #016". - © Mari Katayama
Auf der Suche nach dem poetisch-metaphorischen Potenzial von Prothesen: Mari Katayamas "bystander #016". - © Mari Katayama

Es ist eine besondere Kombination von zwei Ausstellungen, zweideutigen Titeln und vieldeutigen Inhalten, die bis Mitte Mai im Xhibit ältere feministische und jüngere queere und antirassistische Konzepte zusammenführt. Da wird von den Kuratorinnen Berenice Pahl und Felicitas Thun-Hohenstein das Potenzial der Prothese ironisch wie auch als biologisch-technologische Zwangsmaßnahme im Normierungsdiskurs angesprochen. Erweitert auf das altgriechische Wort Prothesis ist die Zurschaustellung von Toten integriert und das bezieht sich auf eine humorvolle Einmischung der teils skulpturalen Arbeiten in die männlich dominierte Sammlung der Gemäldegalerie.

Vor dem Altar des Hieronymus Bosch sind die als hybride Knochenstücke anmutenden farbigen Wachs- und Gipsobjekte von Kerstin von Gabain mit der bunten Vielfalt Gequälter in den Höllen in Bezug gebracht; auch das Reiterdenkmal von Birgit Jürgenssen hellt die Städte Francesco Guradis als poetisch-subversiver Gegenentwurf zur männlich dominierten Erinnerungskultur auf.

Rosa Löwen aus Beton

Anne Schneiders "Bodyguards", abstrakte Portallöwen aus rosa Beton, setzen den Dialog in Richtung Zwitterwesen fort, den Barbis Ruder mit ihrer für eine Performance dienenden Metallkonstruktion zur Verlängerung von Armen und Beinen, "Down Dog in Limbo", startet. Eher Zwangsvollstreckung als verausgabende Yogaposition: So ist es ein passender Drahtseilakt in Analogie zu den früher von den Akademien ausgeschlossenen Künstlerinnen - neben Gemälden der männlichen Zeichenpraxis im Aktsaal wird der Auftakt zur Folterkammer. Dieser sehr körperliche Aufruhr gegen alte Narrative wandelt sich dann mit Toni Schmales "Queering Machine" vor einem bekannten Rubensgemälde mit Frauenraubthematik in eine Vorrichtung, die Vergewaltigung wie sadomasochistische Praktiken assoziieren lässt. Hier wird aus dem Mix von Sportgerät, Seziertisch und Lustkammer-Objekt ein bedrohliches Kunstwerk, der Serientitel "Fuhrpark" steigert dies noch.

Die derzeit in Künstlerkreisen hoch angesehene Toni Schmale korrespondiert mit der Installation der Pariser Künstlerin Camille Henrot, die nebenan in der Kunsthalle am Karlsplatz mit ihrer Installation "If Wishes Were Horses" auf Jiu-Jitsu-Matten die zopfförmige Flechtskulptur "Tug of War" eingebaut hat. Auch sie versetzt mit allen ihren Beiträgen Besucher in einen Schwebezustand von Zwangsrollen, die zur Gegenwehr drängen. Sport und masochistische Sexualpraktiken werden auch durch die Materialkombination mit Leder und Plastik zum Thema; das unsichere Gehen auf den Matten und das Panorama historischer Zopfgeschichten bis tief hinein in die Psychopathologie lassen uns die Frage stellen, wie stark die gesellschaftliche Schieflage zum Kunstzustand werden muss. Die Künstlerinnen zeigen mit unangenehmen Konstrukten, Materialien und Situationen unsere Abhängigkeiten von Machtstrukturen auf. Die Zwangslage, in die Prothesen und Geräte uns versetzen, bringt eine Erfahrung, die wir mit Kunst nicht gerne machen. Zu Ostern ist es eine Möglichkeit, banales Alltagsleid ohne Religion zu erkennen.

Aufruf zur Selbstermächtigung

Dies ist auch in Nadine Rennerts "Einbeiniger" im Xhibit spürbar, bei Roberta Lima mit ihrem eingehängten Fernrohr "Object of Seeing #1" oder aber in den Fotografien, die Renate Bertlmann, Brigitte Lang und Birgit Jürgenssen parallel zu performativen Auftritten in Serien der Wiener feministischen Avantgarde seit den 1970er Jahren in Wien gemacht haben.

Der anschließende Part des Posthumanismus ist durch die Auswahl von den Kuratorinnen Andrea Popelka und Lisa Stuckey ebenso gelungen. Hier spült die Tiefsee Geschichten des anderen aus Afrika an die Oberfläche, mit besonderen Filmen zum Sklavenmord von The Otolith Group, Joey Holders "Proteus", auch die Liebesinsel Kythera ist ein Thema bei Jennifer Mattes, und die "No man is an Island"-Zeile von John Donne beflügelt Wolfgang Tillmans politisches Statement zum Brexit. Die Deformationen vieler Körper sind Aufruf zur Selbstermächtigung.