Die Wut gebiert Kunst: Erwin Wurms Performative Skulpturen sind Ergebnisse künstlerischer Attacken auf herkömmliche Materialien. - © Belvedere/Johannes Stoll
Die Wut gebiert Kunst: Erwin Wurms Performative Skulpturen sind Ergebnisse künstlerischer Attacken auf herkömmliche Materialien. - © Belvedere/Johannes Stoll

Erwin Wurm sieht seine derzeitigen Ausstellungen auf der Biennale in Venedig mit den dort präsentierten "One Minute Sculptures", die Wortskulpturen im Kunsthaus Graz und die "Performativen Skulpturen" im Hauptraum des 21er Hauses als eine Trilogie. Für die Kuratoren Severin Dünser und Alfred Weidinger ist das 21er Haus auch ein Hafen auf der Reise eines heutigen Kunst-Odysseus, denn wie der Zorn Poseidons dessen schier endlose Reise über die Meere
bedingte, so dauert die Spanne der in Zornausbrüchen und an-
deren Affekten erstellten performativen Skulpturen in Wurms Schaffen schon dreißig Jahre. In den 1990er Jahren und nach 2000 sei ihm jedoch der Abschied
vom eigentlichen Werkprozess, vom Selbst-Hand-an-das-Material-Legen, nicht nur als Chance der Konzeptkunst erschienen, meint der 1954 geborene Künstler. Deshalb stoppte er die Verselbständigung und Abgabe seiner Ideen in andere Hände. 2012 setzte er eine erste performative Skulptur aus den 1990er Jahren, den "Pillow", in den neuen Seriengruppen fort.

Kunst durch Körpereinsatz


Einige dieser mit lässiger und destruktiver Geste entstandenen Werke sind nun eigens für die Schau gemacht, die durch Leihgaben aus vielen Museen und privaten Sammlungen ergänzt wird.

Nach den "Hanging Pullovers" der späten 1980er Jahre hatte sich die Bearbeitung eines Kopfpolsters aus dem Material Ton mit dem Einsatz des Körpers ergeben: Die Erweiterung des Skulpturenbegriffs auf die Geste des Eindrückens, Schlagens, Tretens, selbst mit dem Auto Überfahrens, im sehr privaten Gefühl des Zorns, brachte auch in der Theorie einen neuen ironischen Aspekt mit sich. Der Blick auf den Werkprozess änderte sich grundlegend, die große Pranke des Künstlers, die vitalistische Einpflanzung von Energie ins Material war in der zweiten Generation nach Fritz Wotruba nicht mehr opportun. Dennoch schließt sich hier gerade darum ein Denkraum von der Antike über Michelangelo und dem Ende der Steinbildhauerei nach 1945 bis heute, was den "Bildhauer" betrifft.

Wurms emotionales Einhauen auf das Material ist destruktiv, der Künstler bezieht die Peinlichkeit als neuen Faktor im Schaffensprozess mit ein, die beim partizipierenden Betrachter das Fremdschämen aktiviert: Einerseits ist die Aura des einmaligen Werks verworfen, andererseits im Gegenzug aber auch durch die Erinnerung daran überdimensional präsent.