Um eine Bespiegelung von Welt und Künstler-Selbst kreisen zwei Ausstellungen im ersten Stock des 21er Hauses - eine Retrospektive des Werks von Linda Christanell mit dem Titel "Picture again" sowie die siebente Sammlungspräsentation mit Gegenüberstellungen von etwa 50 Arbeiten mehrerer Generationen unter dem Motto "Spiegelnde Fenster". Letztere wurde von Luisa Ziaja und Severin Dünser kuratiert: Sie beleuchten eine als krisenhaft wahrgenommenen Gegenwart anhand von Themen wie Körper, Soziopolitik, individuelle Mythologien, Grauen im Alltag, wirtschaftliche Krisen und Spirituelles.

Christanell, die zwar Malerei studierte, aber als Vertreterin der Neuen Medien bekannt ist, hat sich vor allem als Filmerin, mit ihren Performances und Objekt-Installationen zu feministischen Inhalten einen Namen gemacht. Die von Harald Krejci kuratierte und von Christanell selbst aufgebaute Schau mit mehr als 120 Objekten weist über die bisher bekannten Werkgruppen hinaus, da sie auch die ganz frühen Kartonobjekte und Plexiglasarbeiten einbezieht. Dazu kommen Übergänge zu Fotografie-Kombinationen und den späteren textilen Objekten, die teils zum Tragen in den Performances dienten, hier aber nur am Rande gezeigt werden, präsentiert doch das Mumok derzeit in der "Feministischen Avantgarde" Beispiele davon.

Eine Pionierin

Christanell war nach ihrem Studium an der Akademie am Schillerplatz ein Jahr in Paris, wo sie Kontakte zu dem bekannten Bildhauer Ossip Zadkine knüpfte und sich danach (auch durch den Einfluss von Marc Adrian und dem Formalfilmer Kurt Kren) zeitgemäß einer konkreten Formensprache verschrieb. Inhalte seien ihr nie so wichtig wie diese konzeptuelle Methode, sagt die gebürtige Wienerin, die seit den 70er Jahren auch im Teamwork mit anderen Künstlerinnen wie Renate Bertlmann (im BC Kollektiv), Margot Pilz und Karin Mack nicht von dieser Vorgabe abließ. Die Kader im Film, das Kreisen mit der Kamera und serielle Wiederholung lassen auch den Einsatz von Found Footage, Kitschgegenständen, Schmuck und Fächern zu, die sie, wie in ihren Ausstellungen üblich, zum Teil auf Bodenpodesten gruppiert als eine Art "performative Installation". Nicht nur dabei ist Christanell Pionierin, auch ihre Arbeiten im Bereich einer erweiterten Fotografie sind für die junge Generation vorbildlich. Gefördert von Otto Mauer und dem evangelischen Theologen Kurt Lüthi, der ihr Ehemann war und wichtige frühe Texte zur feministischen Szene in Wien verfasst hat, kam Christanell ab 1977 mit der internationalen Frauenkooperative IntAkt und deren wichtigsten Vertreterinnen nach Deutschland, Italien und Wien, wo sie mit Performances Aufsehen erregten. Ihre wichtigsten Filme werden im 21er-Haus-Kino gezeigt, und es ist durchaus interessant, diese in der locker gehängten Sammlungspräsentation mit jüngeren Konzepten von Filmerinnen wie Isa Rosenberger, Josef Dabernig oder auch Simon Wachmuth zu vergleichen.

Ironie in Genderfragen

Wachmuths Filmarbeit über persische Tänze, die traditionelle Leibesübungen, jedoch auch Kriegstechniken enthalten, sind als hochpoetische Erinnerungsarbeit ähnlich. Auch Nadim Vardags fotografische Isolation von Marilyn Monroes flatterndem Kleid über einem Lüftungsschacht in strengem Schwarzweiß knüpft an Christanells Ästhetik an. Ironisch reagieren einige der hier Präsentierten auf Spannungsfelder zwischen Individuum und Gesellschaft, vor allem wenn es um Genderfragen geht: Peter Weibel (in Kooperation mit Friedl Kubelka) zeigt mit "Mehr Wärme unter die Menschen" ein Fotorelikt einer Performance, bei der es 1972 um das Entzünden von Streichhölzern für Zigaretten und weiblich-männliche Rollenmuster ging. Auch die Zeitgenossen Bruno Gironcoli, Gerhard Rühm, Arnulf Rainer und Walter Pichler bilden weitere Reibungsflächen bis in die Gegenwart einer Toni Schmale, Anne Schneider oder Iman Issa.