
Was für Bildmenschen etwas unangenehm nach einer mathematischen Gleichung aussieht, das ist der Titel einer interessant konzipierten Ausstellung, die zehn Jahre Musa, Museum der Sammlungen der Stadt Wien, in den fast so lange existierenden schönen Räumen neben dem Rathaus präsentiert.
Dem externen Kurator Franz Thalmair ist mit seiner Auswahl von nur 36 Werken aus dem Bestand von etwa 40.000 gelungen, so selbstreflexiv wie humorvoll und mit aktuellen Fragen gespickt, samt einer angenehm lockeren Aufstellung mit einigen Raffinessen, mit diesem, in seiner diskursiven Form einzigartigen Ort für die Gegenwartskunst umzugehen.
Aktuelle Antike
Wie die Einzigartigkeit des Musa als Institution zukünftig als externer, aber angegliederter Teil des Wien Museums erhalten bleiben wird, steht in den Sternen der Wiener Kulturpolitik.
"BA ist nicht dasselbe wie B und A" ist jedenfalls dazu passend ein wichtiger Satz aus einem längeren Aristoteleszitat über das Ganze und seine Teile: Thalmairs Wahl aus den Schriften zur Metaphysik, greift auch die Aktualität der Antike in aktuellen Kunstfragen auf. Zudem lenkt er andere methodische Abschnitte äußerst bedacht auf brisante Fragen, die Kunst immer noch politisch und notwendig machen.
Was als "Museum auf Abruf" begann, hat sich jedenfalls im vergangenen Jahrzehnt als mit breiten Ansätzen zeitrelevant agierende Institution etabliert, in der oft Dinge möglich waren, die ein großes Museum nicht leisten konnte. Mit Künstlerpaaren, Gruppierungen und einem Kunstverlag (Harpune) neben 32 Einzelpositionen geht die Schau neun Themenclustern nach: etwa Archive des Alltags wie des Zufalls, Auratismus, Randzonen, Bricolage, Theoriebildung oder Reziproker Imagetransfer.
Als Display wurden die Zwischenwände zu Podesten umgelegt, manches Werk lehnt an der Wand wie im Atelier oder Depot, um die künstlerischen Archive, aber auch Prozesse, sichtbar zu machen und immer wieder auf den großen Sammlungsbestand der MA7 zu verweisen. Konzept-Schichten haben meist etwas Langweiliges oder das Gedächtnis des Betrachters Strapazierendes an sich, aber hier wirkt alles leicht gesetzt.
Das spät angekaufte ikonische Werk des feministischen Aktionismus, Valie Exports "Aktionshose Genitalpanik", wird ergänzt durch Johanna Brauns Malerei, die nur den Hintergrund zeigt und die gegen Sexualisierung des weiblichen Körpers antretende Starkünstlerin ausspart. Auratismus setzt sich auch bei Peter Fritzenwallners gewandelter Laura Giorgiones oder bei Markus Schinwalds und Anna Artakers klugen Transformationen von Köpfen fort. Skulpturenfragen spiegeln sich in Luisa Kasalickys Installation nichtiger Elemente wider wie auch den Collagen von Antia Witek, die dem Basteln (Bricolage) zugeordnet sind, während Sonia Leimers "Platzhalter" auf Randzonen im Stadtraum von Istanbul abzielt oder Fabian Finks "Die Sonne ist kein Monster" durchsichtig und grün 20 Bilder zur künstlerischen Transportkiste umwandelt.
Andere Denkrichtungen
Bodenelemente verweisen dann schon wieder in andere Denkrichtungen, egal ob scheinbar funktionslos wie Lotte Lyons rote abgestürzte Wand ohne Titel oder Christoph Meiers doppelter Atelierboden für frühere Lackarbeiten. Sophie Dvořáks feinsinnige Collagen aus den Bildern zu den einzelnen Buchstaben des Alphabets, geschnitten aus einem zehnbändigen Lexikon von 1984, greifen in das Thema Theoriebildung über und weben feine Spinnennetze neuer Enzyklopädien, sprichwörtlich und buchstäblich.
So knapp hat auch Elisabeth Grübel die Ateliers von Kolleginnen wie Esther Stocker kumuliert zum Einbaukasten, die fotografierte Sammelskulptur verbindet Wohnung, Produktionsprozess und Archiv mit dem Museum. Witzig und grotesk performt in sechs Videos Barbis Ruder zum Thema "Wertschöpfungskette", um das Betriebssystem bildende Kunst auf die Schaufel zu nehmen. Sie koppelt Wirtschaft, Rollenbild und Abhängigkeiten von Markt und Museum, damit dem lieben Geld - und so betet die Künstlerin hingebungsvoll einen Bankomaten statt das Musa an.