
Nun ist es so weit: Viele sprechen in Wien seit Jahren von der Ausstellung, die vom Publikum gemacht wird. Manche schimpfen es allerdings "Mitmachkunst" und finden es unangenehm, schon am Eingang von einem Mann in Anzug und Fliege angesprochen zu werden. Dieser Herr fragt als Teil des Kunstwerks von Pierre Huyghe nach dem Namen, um ihn dann als "Role Annoncer" laut in den Raum zu verkünden, und sich danach dem nächsten Besucher zu widmen. Es gilt also gut zu überlegen, welcher Name oder Spruch hier abgegeben werden könnte. Links taucht Niclas Luhmann auf einem Getränkeautomaten in der voller Spiegel besetzten Bar Remix Luhmann-Eck auf, die Getränke dürfen aber nur daneben noch in Misha Kuballs kulturpolitischer Boden- und Wandarbeit "leverkusen_transfer" (gemeinsam mit Stanley Brown) getrunken werden - dann folgen neben Denken und Schauen auch körperliche Aktivitäten.
Verkleinerung für Wien
Die Schau mit partizipativen Werken aus drei Generationen im Hauptraum des 21er Hauses ist eine Übernahme aus dem Museum Morsbroich in Leverkusen, wie hier eine nach 1945 geschaffene Institution für Gegenwartskunst. Sie musste für Wien verkleinert werden, denn dort standen dem "Duett mit Künstler_in" drei Geschosse zur Verfügung. Immerhin sind es aber 25 Einzelpositionen, ein Künstlerpaar und eine Gruppe geblieben, die jene demokratische Erweiterung der Kunst in politische und soziale Bereiche im Museum debattieren und auf die Reaktion der Besucher angewiesen sind: Denn David Shrigley und Yoko Ono sammeln die vom Publikum gemachten Aktzeichnungen, Wünsche (auf "Wish Trees") und Gefäße wieder ein, um sie neu zu verwenden. In Shrigleys Aktsaal kann mit vorhandenen Kreiden, Stiften, Malkästen auf Papier die "Life Model"-Puppe gemalt werden, im Studio von Ono werden zerbrochene Tassen geklebt. Noch sind die Werke aus Leverkusen an der Wand, identitätsstiftend sollten die aus Wien folgen.
Auf einem "Rising Shift" Möbel von Krüger & Pardeller kann sitzend ein demokratischer Kreis entstehen: Von da aus ist Angela Bullochs selbst zeichnende Maschine zu beobachten - um deren mechanischen roten Stift von waagrecht zu senkrecht wechseln zu lassen, muss allerdings die Bank vor dem Werk besetzt werden. Eine Hommage auf John Cages berühmtes Konzert der Stille "433" von 1952. Daneben kann Tischtennis gespielt werden in dem von Rirkrit Tirvanija eingerichteten Sportkäfig. Den Spaß unterbricht allerdings die aufgedruckte Schrift: "Morgen ist die Frage." Mit Kochtöpfen an Stangen kann aggressionsableitend Katzenmusik erzeugt werden: "Flora Treme" stammt von dem jungen Künstlerkollektiv Opavivará aus Brasilien. Mit dem Kaufmannsspielladen von Christine Hill, Endprodukt einer "Volksboutique" für Secondhandkleidung, kann das Handeln die Rolle von Künstlerin und Betrachterin vertauschen.
Wozu noch ein Kurator?
Joseph Beuys berühmter Documenta-Spruch "Wer nicht denken will, fliegt raus!" mahnt aber auch die Schmälerung der Kuratoren ein, denn wenn das Publikum allein im Museum mit den Künstlern im Duett werkt, wozu noch ein Kurator? Ohne Axel Köhnes vorbereitende Zusammenarbeit und Auswahl würde hier aber nichts laufen. Köhne hat mit Ko-Kuratorin Stefanie Kreuzer aus Fluxus, Happening und früher Konzeptkunst die wichtigsten Beispiele mit Hinweis auf das Prozesshafte des künstlerischen Akts übernommen. Der Blick zurück auf 1968, also nahezu 50 Jahre, ist wichtig wegen Yves Klein, den genannten Ono, Beuys und Cage, sowie Vito Acconci, Bruce Nauman, Hans Haacke oder Wolf Vostell. Auch wenn der Urvater der Partizipationsidee Marcel Duchamp war (der nach den Ready-mades vorführte, wie es ohne Kunst mit Aktmodell beim Schach schweigend zugeht - danach kehrte er doch wieder in die Kunst zurück).
Den Vorgängern folgten und folgen neben Kuball, Shrigley und Bulloch Franz West und Erwin Wurm, Claus Föttinger oder Gabriel Sierra. Der Unterschied im Zeitalter der Medien ist, dass die Kontemplation vor dem Kunstwerk wirklich vorbei ist, und das Einmahnen demokratischer Regeln mit Kunst tatsächlich zu alternativem Denken führen kann. Auf zum fröhlichen Kleben!