
Bei Annäherung an das 21er Haus von der Seite des Schweizergartens überragen 15-stöckige Wohn- und Bürobauten längst den kleinen Personalturm. Sie stehen auf hohen Stützen, die auch nach Fertigstellung der mehrteiligen Anlage bereits die Architektur Karl Schwanzers ungewollt rahmend akzentuieren. Ehedem auf der Weltausstellung hatte sein Pavillon auch den Charakter eines Kubus auf Stützen, fast wie ein eingehängter Raumblock. Auf diese das Museum für Gegenwartskunst umgebende Situation und seine Geschichte reagiert die 1973 geborene Künstlerin Anita Leisz, die aus Materialien für Inneneinrichtungen - sogenannten Halbfabrikaten - eine auf den Ausstellungsraum präzise abgestimmte fünfteilige Installationen einsetzt.
Erkundungen des Raums
Die erste Ansicht des langge-streckten Stirnraums im ersten Stock ist karg. Minimalistisch sind vier verzinkte Eisenbleche und ein verzinktes Rohr als Stütze nur Akzente für die Leere des Raums. Damit schickt die Künstlerin einen Impuls, sich auf dem grauen Linoleumboden zu bewegen und die unterschiedlich eingefärbten grauen Platten genauer zu erkunden.
Dabei fällt die strukturierte Hängung der Bildobjekte wie die Setzung der Scheinstütze auf: Nicht die Stirnwand wird akzentuiert oder die Mitte als Achse hervorgehoben, keine Perspektive konstruiert - so bleibt die Raum-Wirkung offen, auch wenn die Proportionen auf das menschliche Körpermaß abgestimmt sind. Der Mensch im rechteckigen White Cube entdeckt schnell die widersprüchliche Qualität zu dieser reinen Setzung von Objekten als skulpturale Geste, nämlich ihre malerische Oberflächenwirkung.
Die genau geschnittenen Platten sind zuweilen wie Leinwände mit Rändern geschraubt. Das Schwarz einer Tunke zur Korrosion der Verzinkung wächst über die grauen Stellen. Das mutet wie die aufsteigende Nachtzeit in einem Landschaftsgemälde an, etwa Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer". Diese dem Sfumato Leonardo da Vincis oder noch mehr den rauchigen Übergängen in den abstrakten Ikonen von Mark Rothko ähnlichen malerischen Wirkungen sind jedoch völlig ohne Pinsel oder Schleifpapier entstanden. Keine Einschreibung der Künstlerin in das Material erfolgt, stattdessen findet ein chemischer Prozess statt, der sogar im Innenraum durch die verwendeten Salze und Essig in der Säuretunke noch während der Ausstellungszeit weiter einwirken wird. Im Außenraum ist der Prozess der Verzinkung von Eisenplatten notwendig, um sie vor Rost durch feuchte Witterung zu bewahren - hier suggeriert der in Verlust geratende Zinküberzug keinen Zerfall. Die vier behandelten Platten behalten im langsamen Prozess der Veränderung ein abstraktes Eigenleben, das keinen weiteren Eingriff benötigt, keine Autorin Leisz, die sich vielleicht kratzend in ihre Kunst weiter einschreibt. Dafür hat sie auch die Höhe des Saaltextes, die Einladung und das Plakat selbst als Teil der Schau mitkonzipiert.
Ergraute Natur
Auch dabei dominiert ein minimiertes, präzises, ganz konkretes Konzept. Ihre Ahnen sind die österreichische Generation der "Neuen Geometrie", die sich parallel zu den neuen Wilden als Gegenpol zur männlichen Malereidominanz formierten oder noch davor die frühen Konkreten wie Richard Kriesche oder Helga Philipp, und noch einmal zurück die Schweizer "Erfinder" der Begriffs "konkrete Kunst" noch vor 1945.
Interessant ist ein biografischer Aspekt in der Vorliebe von Anita Leisz für das Phänomen Korrosion: Sie stammt aus Leoben, wo das Hüttenwerk Donawitz Stahl produzierte, nicht ohne die sie umgebende Stadt und Natur in die graue Farbe der Schwerindustrie einzufärben. Dieser schmerzliche Prozess eines Lebensraums ist in den Ausstellungsraum gewandert, mit strenger Wirkung auf den Körper: So hat also auch die Tunke der Platten ein Urmotiv, das allerdings durch den experimentellen Stützeneinbau einen weiteren Akzent zum Wiener Außenraum des Hauptbahnhofsviertels erfährt. Die stauenden Baustellen als Hinweis auf das Unvollendete, ein skulpturales Hauptthema seit der Antike.
ausstellung
Anita Leisz
Luisa Ziaja (Kuratorin)
21er Haus
Bis 14. Jänner