1974, kurz nach Weihnachten, ereignete sich in einer Kohlegrube im Norden Frankreichs ein schreckliches Unglück. "Schlagende Wetter", wie es in der Bergmannssprache heißt, hatten eine fast erschöpfte Mine zur Todesfalle gemacht. 42 Bergleute verloren ihr Leben, man munkelte, der Zechenbetreiber habe über die Gefährlichkeit von Schacht 3b Bescheid gewusst, es kam zu mehreren Prozessen, doch am Ende war es wie so oft: "Laut Gericht hatte unter Tage nie eine ernsthafte Gefahr bestanden. Die Bergwerksgesellschaft sei zwar zivilrechtlich verantwortlich, ihr sei aber keine grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen. Die beiden obersten Chefs wurden einfach freigesprochen. Der Betriebschef von Grube 19 wurde zu 10.000 Franc Geldstrafe und 1000 Franc Schadenersatz zugunsten dreier Gewerkschaften verurteilt. ‚42 Tote = 10 000 Franc. Eine Zeile in der Bilanz.‘"

Der verbitterte letzte Satz stammt nicht aus den Akten, ihn hat der Ich-Erzähler in einem der vielen Hefte notiert, die er mit Material über das Unglück und dessen Folgen füllt.

Was auf den ersten Blick wie ein dokumentarischer Roman über ein reales Ereignis wirkt, erweist sich somit als literarische Anverwandlung vergangener Realität. Sorj Chalandon will nicht im Gewande der Fiktion von den damaligen Geschehnissen erzählen, sondern macht sie vielmehr zu einem erzählerischen Rahmen und Fundament, das er um eine rein fiktive Familiengeschichte erweitert.

Zu diesem Zweck fügt er den 42 Toten noch einen erfundenen 43. hinzu: Joseph, der Bruder des Ich-Erzählers und ebenfalls Bergmann, erliegt 26 Tage nach dem Unglück seinen schweren Verletzungen. Schon sein Onkel war der Grube zum Opfer gefallen. Und selbst diejenigen, die nicht unter Tage arbeiten, frisst die Zeche auf.

"Ein Jahr nach seinem Sohn verließ uns mein Vater. Mit ihrer verbliebenen Kraft zog meine Mutter mich groß. An der Wand hingen drei schwarz umflorte Fotos: das meines Onkels, das meines Bruders und das meines Vaters. Bei Tisch waren wir nur noch zu zweit, die Minderheit der Lebenden. Das war kein Bauernhof mehr, sondern ein Friedhof. Mit zwei leeren Rahmen, die darauf warteten, dass auch unsere Zeit ablief."

Als sein Bruder stirbt, ist Michel, aus dessen Perspektive wir alles Geschehene erfahren, 16 Jahre alt, und als sich bald darauf der Vater im Stall erhängt, wird dem Jungen im Abschiedsbrief ein letzter Auftrag erteilt: "Michel, räche uns an der Zeche!" In "schöner Schrift" hat der Vater diese Aufforderung hinterlassen, und sie bestimmt fortan Michels Leben.