"Deutsche! Gebt mir vier Jahre Zeit . . ." - Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933, dessen Hintergründe bis heute nicht zweifelsfrei geklärt sind, den die Nationalsozialisten aber ohne Skrupel für sich politisch auszuschlachten wussten, gibt der neue Reichstagskanzler Adolf Hitler den deutschen Wählern ein Versprechen, das er tragischer Weise auf das Fürchterlichste erfüllen wird: "Gebt mir vier Jahre Zeit und ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen!"

Zwei deutschsprachige Erstübersetzungen des japanischen Zeichners Shigeru Mizuki gewähren einen kleinen Einblick in ein wenig bekanntes Bild japanischer Mangakultur. "Hitler" (1970) und "Auf in den Heldentod!" (1973) zählen zu den Vorläufern jener Art von Comics, die heute gern als Graphic Novels bezeichnet werden.
Etwa zur selben Zeit, 1972/73, erschien auch Keiji Nakazawas vierbändiger Manga "Barfuß durch Hiroshima" (dt. 2005/06) über die verheerenden Folgen des Abwurfs der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Osamu Tezuka hat ein Jahrzehnt später einen fünfbändigen Politthriller "Adolf" (dt. 2005-2007) veröffentlicht, der sich auf die Spuren dreier Männer namens Adolf begibt, zwei davon mit jüdischer Geburtsurkunde: Adolf Kamil und Adolf Hitler.
Im Unterschied zu Tezukas fiktionalem Werk erzählt Mizuki die Lebensgeschichte Adolf Hitlers von 1908 bis zum Suizid am 30. April 1945. Er zeichnet den schwer verständlichen Aufstieg eines ehemaligen obdachlosen Österreichers zum deutschen Reichskanzler nach, der ganz Europa in einen globalen Krieg hineinzuziehen und Millionen zu mobilisieren vermochte, um sich an Millionen entsetzlichen Morden zu beteiligen.
Nahe an der Figur
Mizuki bleibt in seinem chronologischen Bogen stets nahe an der Figur Hitler und dessen Gefühlswelt, zeichnet ein Psychogramm seiner Reizbarkeit und Wutanfälle, seiner Starrköpfigkeit wie seiner Niedergeschlagenheit. Sein Scheitern an der Kunstakademie erfüllt ihn offenbar zutiefst mit Scham, der Suizid seiner mehr idealisierten als geliebten Nichte mit Schuldgefühlen. Doch ihm gelingt es, aus einer Handvoll verlorener Gestalten in einem Münchner Kellerlokal eine Partei heranzubilden, welche die Weimarer Republik aus den Angeln heben wird. Mizukis Unterfangen hat etwas von einem Zenonschen Pfeil: In über tausend Einzelbildern und tausenden von kleinen Schritten, "von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung" (Michael Köhlmeier), skizziert der Zeichner und Autor die obszöne Karriere eines kleinen Mannes mit Größenwahn. Eindrucksvoll führt Mizuki die chaotische Kriegsführung Hitlers vor, die ihm zunehmend entgleitet. In den Zwischenräumen, die für das Medium mit Panels bedeutend sind, beharrt das Unerklärliche und Unfassbare auf sich. Im Unterschied zum Pfeil-Paradox ist das Paradox Hitler(-Regime) niemals gänzlich auflösbar. Auch wenn der Autor einen zentralen Aspekt, nämlich die Bedeutung des Antisemitismus für Hitlers System und die tödliche Maschinerie der Nazis, vernachlässigt, seine grafische Bio schärft die Aufmerksamkeit für historische Zusammenhänge. Das Manko erklärt die aufschlussreiche Einführung mit dem historischen Stand der Hitlerforschung um 1970.