Klagenfurt. Auch beim zweiten Tag bei den "Tagen der deutschsprachigen Literatur" vulgo Bachmann-Preis wurde in Klagenfurt heftig diskutiert. Noch bis Samstag lesen die Autorinnen und Autoren um die Wette - der prestigeträchtige Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. Entsprechend heiß auch die Diskussionen. Mit "Kenn ich nicht" startete der deutsche Autor Yannic Han Biao Federer in den zweiten Lesetag. In seinem Text, in dem immer wieder der Name eines Autors mit dem Namen Yannic Han Biao Federer auftaucht, erzählt er die Geschichte einer Trennung und eines Neuanfangs in einer neuen Wohnung.
Auch ein Schriftsteller namens Micha kommt vor, der offenbar die Geschichte des Ich-Erzählers, dessen Name Tobi ist, erzählt. "Micha schickt mir einen neuen Text, ich lese ihn auf dem Handy. Es geht um einen, der Tomi heißt und Autor werden will, er ist Halbchinese, aber die meisten sehen ihm das nicht an, und manchmal vergisst er es auch selbst", heißt es etwa an einer Stelle. Die Jury konzentrierte sich in der Diskussion zunächst auf das Aufspüren der zahlreichen Ebenen des Textes, für Jury-Vorsitzenden Hubert Winkels sind es "mindestens vier, vielleicht fünf Ebenen". Er ortete ein "postmodernes Spiel mit den Erzählebenen" und lobte die "sinnliche Präsenz der Beschreibung der Orte".
Für lebendige Diskussionen sorgte auch der Schlusssatz, in dem eine Möwe dem Erzähler in die Sandale "scheißt". Stefan Gmünder fand dieses Ende "nachgerade genial" und verglich die "Erzählpartikel" mit einem sich immer wieder neu zusammen setzenden Kaleidoskop: "Diese ganzen Dinge scheinen mir auch in ihrer Zersplittertheit logisch. Der Text funktioniert von A bis Z, ohne unbedingt kunstsinnig sein zu wollen, ohne aufgesetzt zu sein." Nora Gomringer war beim ersten Lesen "gar nicht begeistert, weil es mir zu viel war. Auch zu viel des Gleichen." Hildegard Keller, die den Autor eingeladen hat, zeigte sich von dem Text "ungemein eingenommen". Es sei ein Spiel mit "Alter egos auf allen Ebenen" - eine "grandios leichtfüßige Erzählung".
Sprachlosigkeit der Sprache
"Vierundsiebzig" lautete der Titel des zweiten Beitrags des Tages: Die deutsche Autorin Ronya Othmann, Jahrgang 1993, beschreibt darin eine beklemmende Reise in den Irak, bei dem die Ich-Erzählerin, die in Deutschland lebt, ihre jesidischen Verwandten besucht und auf den Spuren der Gräueltaten des IS wandelt. Immer wieder verliert sie im Schreiben ihre Sprache: "Die Sprachlosigkeit liegt noch unter der Sprache, selbst wenn ein Text da ist."