Eine Schriftstellerin stirbt. Zurück bleiben ein feministisches Werk, ihre Familie und ihre Freundin Elvira, die den Nachlass verwalten soll. Elvira aber, selbst eine feministische Konzeptkünstlerin, tut mehr als das. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, die ausgebliebene Würdigung ihrer Freundin zu deren Lebzeiten aufzuarbeiten, die Gesellschaft dabei mit der Nase auf das Ungleichgewicht zwischen männlicher und weiblicher Kunst zu stoßen. Und so begibt sie sich auf einen Streifzug durchs Land und über dessen Grenzen hinaus, wo sie mit einer Reihe von provokanten Installationen auf die verstorbene Helene Schulze aufmerksam macht.

Zur Seite steht ihr dabei Adrian, ein junger Kameratechniker, der ihr die Möglichkeit bietet, ihre Konzepte zu realisieren, und überdies dem Buch eine männliche Sichtweise auf den Sachverhalt hinzufügt.
Solcherart werden Biografie und Werk von Helene Schulze aus unterschiedlicher Sicht erschlossen. Dieser Perspektivenwechsel zwischen dem weiblichen und dem männlichen Blick auf eine Schriftstellerin, die sich als Emanze zu ihren Lebzeiten eher unbeliebt gemacht hat, macht das Buch spannend. Denn die Informationen, die man durch die Brille der Freundin erhält, dass nämlich Helene Schulze an den Patriarchalstrukturen der Gesellschaft zugrunde gegangen ist und sich deshalb in den Alkohol geflüchtet hat, werden durch jene Aussagen relativiert, die man vom Techniker erhält, der lakonisch feststellt:
"Diese Helene Schulze hat keine schreckliche Krankheit gehabt, sie hat sich nicht umgebracht, sie wurde kein Opfer eines Gewaltverbrechens, sie ist nicht verhungert. Sie hatte ein erfolgreiches Buch, eine Familie, eine Scheidung, ein Haus im Höllental, und trotzdem hat sie sich zu Tode gesoffen."
Anfangs ist bei diesen Ausführungen noch nicht klar, wohin das Buch eigentlich steuert. Denn die Autorin kommt über die wütenden Anschuldigungen Elviras, die zwar nicht ungerechtfertigt sind, aber doch etwas langatmig geraten, oft nicht hinaus. Es ist eine Schwachstelle dieses Romans, dass die Handlung nur schleppend in die Gänge kommt. Das wäre ein geringeres Problem, würde der fehlende Schwung durch stringentere und weniger ausschweifende Gedanken kompensiert.
Der Roman kommt erst richtig in Fahrt, als sich die beiden - Elvira und der Kameratechniker - auf einen Roadtrip begeben, um ihren Rachefeldzug zu starten. Gebrauchte Windeln werden dabei gezielt platziert, Skulpturen von Komponisten in Frauen verwandelt oder ein Kriegerdenkmal mit einer überdimensionalen Vulva dekoriert.
Stets signiert Elvira ihren Tatort mit einem Seepferdchen, einem Hippocampus: Das titelgebende Zeichen steht für weibliche Selbstermächtigung (bei der so bezeichneten zoologischen Spezis werden die Männchen trächtig, Anm.) und, in Anspielung auf den gleichnamigen Teil des Gehirns, für das Langzeitgedächtnis.
Breite Anklage
Die Autorin erhebt Anklage, und dies ohne Scheu: Sie geißelt den Literaturbetrieb, desgleichen die alteingesessenen Kritiker, die dem Werk Schulzes die Anerkennung versagten - und all die Männer, die sich verzweifelt an Fußball, Grillzange und Bier festhalten - der "heiligen Dreifaltigkeit der Durchschnittlichkeit".
Thematisiert werden aber auch - und das verleiht dem Roman doch seinen Reiz - der schwache Kampfgeist und die Scheinheiligkeit der Frauen: "Warum studieren sie nicht MINT-Fächer und schnappen sich die besten Jobs? Warum hängen sie ihren Männern nicht die Kinder um und machen ihre Karriere? Warum fressen sie sich nicht fett, lassen die Haare grau werden und latschen mit flachen Schuhen herum, wenn Schönsein so ein großes Opfer ist?"
Der Blick, den Gertraud Klemm (Jahrgang 1971) auf die Gesellschaft richtet, ist scharf. Sie zeigt das Dilemma der Frauen und des Feminismus auf.