"Ist das wahr?" Das wollte Peter Handke wissen, als ihn der Anruf der Schwedischen Akademie erreichte, um ihm mitzuteilen, er habe den Nobelpreis für Literatur gewonnen. Dann ging er im Wald spazieren, und als er nach einigen Stunden zurückkam, scharten sich bereits Journalisten vor seinem Haus in Chaville bei Paris.
Ähnlich wie beim ewigen Außenseiter Bob Dylan war die Kür Handkes zum Literaturnobelpreisträger für 2019 eine lange erhoffte Überraschung, ein britisches Wettbüro hatte ihn eine Woche vor der Bekanntgabe noch an die elfte Stelle der wahrscheinlichsten Preisträger gesetzt. Und nun war in Österreich die Freude groß an diesem 10. Oktober.
"Großartig!", jubelte Elfriede Jelinek, die Preisträgerin von 2004, in einer ersten Reaktion: "Er wäre auf jeden Fall schon vor mir dran gewesen." Glückwünsche kamen aus der Politik vom Bundespräsidenten abwärts (nur die FPÖ hielt sich zurück, Norbert Hofer gab später zu, keines von Handkes Büchern gelesen zu haben) und die heimische Kultur-, Literatur- und Theaterszene sparte nicht mit Beifall. Michael Köhlmeier freute sich "außerordentlich" ("Der größte Poet unserer Sprache hat den Preis bekommen"), außerhalb Österreichs stimmten Claus Peymann, Wim Wenders oder der serbische Filmregisseur Emir Kusturica mit ein, der norwegische Bestsellerautor Karl Ove Knausgård lobte Handke als "würdigen Preisträger".
Auf Serbiens Seite
Doch die Kritik ließ nicht lange auf sich warten, und sie war heftig: kaum hinsichtlich der Qualität von Handkes Büchern, vielmehr wegen seiner politischen Stellungnahmen zu den Kriegen in Jugoslawien in den 1990er Jahren. Da hatte sich Handke klar auf die Seite Serbiens gestellt: Literarisch in dem Buch "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina" von 1996, der Text war zuvor in der "Süddeutschen Zeitung" unter dem emblematischen Titel "Gerechtigkeit für Serbien" erschienen. Seit damals wird Handke vorgeworfen, die Kriegsverbrechen der serbischen Armee und der Milizen kleinzureden und mit poetischem Gestus die grausamen Fakten wegzuwischen.
Ausgerechnet ein Autor, der offen mit dem Regime von Slobodan Miloević sympathisierte, der mit dem als Kriegsverbrecher gesuchten (und später verurteilten) Radovan Karadić Bücher tauschte und der seine pro-serbische Haltung nie relativiert hat, sollte den prestigeträchtigsten aller Literaturpreise erhalten? "Es scheint, als könne es opportuner und verzeihbarer sein, am Grab eines Diktators und Massenmörders zu weinen, als einen schlechten sexistischen Witz zu machen", meinte Christoph Schröder in der "Zeit".