Mit acht Jahren landet sie in den Achtziger auf der "Endstation" im Krankenhaus. Niemand weiß, was sie hat, aber es muss letal sein, sind die Mediziner überzeugt. Leukämie, Knochenmarkkrebs, Gehirntumor - alles Mögliche wird vermutet bei der Patientin, die eine unendlich lange Zeit unter todgeweihten Kindern verbringt und mit neun Jahren schon aussieht wie zwanzig. Sie stellt die Ärzte vor ein Rätsel - und wird auch als solches behandelt: Eine Gruppe Medizinstudenten nach der anderen wird vorbeigeschleust, um die Patientin (nackt und auch im Intimbereich) zu begutachten. Wenn man schon so ein interessantes Objekt an der Hand hat, will man das natürlich ausnutzen. Und wenn die bei den Untersuchungen, die oft sehr unangenehm bis schrecklich schmerzhaft sind, nicht spurt, wird sie vom Pflegepersonal angefuckt. Empathie? Fehlanzeige. Und dann ist da noch das Leid der anderen Kinder, die mit ihr kaserniert sind, denen Gliedmaßen amputiert werden oder die überhaupt plötzlich sterben.

Maria Silke hat ihre Kindheitserlebnisse in einer Zeit, die noch gar nicht so lange her ist, sich aber so anfühlt, damals aufgeschrieben und lange Reifen lassen. Erst dreißig Jahre später hat sie ihre Aufzeichnungen mit Unterstützung ihrer Freundin Veronika Pinter-Theiss in Buchform gebracht. Ein Exemplar davon wurde für sie persönlich gedruckt, und es dauerte dann noch zwei weitere Jahre, bis sie sich dazu durchrang, ihre Geschichte auch einer breiteren Öffentlichkeit zu erzählen.
Eine Geschichte, die von Erniedrigung und emotionaler Anwendung handelt. Eine Geschichte über den Stand der Medizin in den Achtzigern und ihren Umgang mit unklaren Diagnosen. Eine Geschichte über eine Familie, in der sich die Eltern getrennt haben, die Mutter alkoholkrank ist und die Großmutter für ihre Enkelin, die in ihr eher eine Freundin sieht, als Leitfigur einspringt. Eine Geschichte über geteiltes Leid und Freundschaften unter Kindern in Ausnahmesituationen. Aber auch eine Geschichte über das Ja zum Leben, das am Ende die Oberhand behält. Maria Silke lässt sich nicht unterkriegen, damals nicht und heute schon gar nicht. Auch wenn in den Jahren und Jahrzehnten, nachdem sie der "Endstation" entronnen war, natürlich immer wieder auch weitere schwierige Lebensphasen gab. Grundsätzlich trägt ihr Buch aber eine positive Botschaft in sich. Wenn sie zurückblickt auf die schlimme Vergangenheit, so ist es zugleich ein Nach-vorne-Schauen auf eine Zukunft, die dank ihrer drei eigenen Kinder und ihres Mannes bunt ist. Und hoffentlich schön. Man wünscht es ihr von Herzen.