Der siebenundachtzigjährige Rainer Reinisch ist ein multipler Künstler. Der Kärntner aus dem zweisprachigen Ferlach/Borovlje hat in Wien Architektur studiert. Zwanzig Jahre war er Stadtbaudirektor in Braunau und fünfzehn Jahre lang Architekturkritiker der "Wiener Zeitung". Das Schreiben allein war ihm aber immer zu wenig: Er collagiert auch, denkt über die Welt nach, fotografiert und malt.

Jetzt hat er seine Kurzgeschichten, und zwar mehr als vierzig, in einem besonders ästhetisch hergestellten Band gesammelt. Die "Texte" umspannen ein breites Spektrum und sind mitten aus dem Leben des Autors gegriffen.

Er erzählt keine Geschichten über Riesen oder Zwerge, er beschwindelt auch niemanden, dass ein Mensch auf einer Kanonenkugel fliegen kann, sondern berichtet schonungslos über die Erfahrungen eines reifen Mannes, schreibt über "das ganz normale Leben", in dem das "Ehe-Verhängnis zur Scheidung führt" und der Mann "nach der Dusche und dem Abtrocknen mit dem nicht ganz weichen Badetuch mit dem eingewebten Hotelnamen" einen Achselroller verwenden sollte, um andere nicht olfaktorisch zu belästigen.

Von Gott und Taugenichtsen ist die Rede, von Sándor Márai, dem die Russen "bei ihrem Vormarsch nach Westen (...) sein Haus in Schutt und Asche gelegt" haben, von der allseits bemühten Unschuldsvermutung und von Paaren, die "gemeinsam gealtert" sind, sowie von dem betagten Mann, der sich im Sommer am "Nachmittag am Wörthersee" mit Jahrgangsfreunden aus den Studienzeiten trifft, um in Erinnerungen zu schwelgen.

In einem heutigen Buch darf der Sex ganz und gar nicht fehlen, zumal der Autor meint: "Bleiben wir dabei, alles dreht sich um das Thema Nummer eins." Er weiß auch, "dass die Menschen (...) sich am Abend müde ins Bett legen und noch ein wenig kopulieren".

Die Geschichten sind einfallsreich erzählt, nur da und dort hätte ein bewanderter Lektor dem Band gutgetan.