Vor zwei Jahren starb Christina Nöstlinger - doch ihre Bücher leben weiter. Und werden teilweise auch wieder neu aufgelegt. So zum Beispiel der "Pudding Pauli", der im Jahr 2009 seinen ersten Fall löste. Wobei sich dem erwachsenen Leser offenbart, was die Grande Dame der österreichischen Kinderliteratur in einem ihrer letzten Interviews, das sie der "Wiener Zeitung" 2016 anlässlich ihres 80. Geburtstags gab, sagte: dass sie sich inzwischen schwertue, Bücher für uns über heutige ältere Kinder zu schreiben. Weil die den ganzen Tag ins Handy oder Tablet schauten, und sie deren Gedankenwelt nicht mehr so ganz nachvollziehen könne.

Da spricht der elfjährige "Pudding Pauli" seiner Schöpferin womöglich aus der Seele mit seiner Handy-Verweigerung - wobei die ganz pragmatische Gründe hat: Denn zuerst bekam er kein Handy, und weil ihm das peinlich war, wollte er gar keines. Und als er dann eines bekommen hätte, gab er sich nicht die Blöße, es anzunehmen. Und so ermittelt der "Pudding Pauli", der besser kocht als seine Altersgenossen (und eben am besten klumpenfreien Pudding), das aber nie als Hobby bezeichnen würde, weil es eher eine Notwendigkeit ist als Sohn einer voll berufstätigen Alleinerzieherin, die selbst nicht gut kochen kann, eben analog. Beziehungsweise lässt sich von seiner besten Freundin Rosi dann und wann technisch aushelfen.

In "Pudding Pauli rührt um" dreht sich sein erster Fall um ein mitten in der Klasse verschwundenes Herzchen aus Gold. Und weil es ja ein Kinderbuch ist, wird die Jagd nach dem Dieb zwar sehr wendungsreich und ein bisschen aufregend - am Ende aber ist alles viel harmloser als gedacht. Hauptsache, die Lehrer und Mitschüler sind alle ausgezuckt wie nur was (was für den Pauli auch der Hauptgrund war, den Fall zu lösen, damit endlich Ruhe ist).

Aber zurück zu Christine Nöstlinger und den heutigen Kindern. Die schwierige Beziehung zur Jugend der Gegenwart zeigt sich auf sprachlicher Ebene, weil die damals schon über 70-jährige Autorin halt nicht den Fehler gemacht hat, krampfhaft heutig zu wirken und moderne Jugendsprache gemieden hat. Stattdessen ist ihre Geschichte voller Ausdrücke, die wohl eher zu Zeiten ihrer eigenen Jugend (oder der ihrer Kinder) modern waren. Was dem Lesevergnügen aber keinerlei Abbruch tut. Dafür sorgt freilich auch eine weitere sprachliche Eigenschaft Christine Nöstlingers: Sie hatte nämlich auch keine Scheu davor, auch einmal ein bisschen vulgär zu werden. Keine Fäkalsprache, das nicht. Aber schimpfen wie die Rohrspatzen tun die Leute halt schon mitunter. Und das trägt zum Lokalkolorit bei, den ihre in Wien handelnde Geschichte hat.

Inhaltlich überzeugt sie dadurch, dass der Pauli zwar schlau ist, aber sich auch einmal irren kann, und dass jede geschilderte Szene durchaus plausibel ist. Da gibt es kein Superhirn, das klüger ist als jeder Erwachsener. Sondern einen ganz normalen Buben, der halt gut kombinieren kann und den Ehrgeiz hat, einmal ein großer Kriminalist zu werden. Und früh übt sich halt. Dass der Pauli dabei in der Schule um eine positive Mathematik-Note kämpfen muss (und von Rosi massive Hilfe bekommt) und daheim familiäre Sorgen hat, weil er sich an den neuen Freund der Mutter gewöhnen muss (der eigentlich gar nicht so übel ist), sind zwei weitere Ebenen, auf denen sich die Geschichte abspielt. Womit einmal mehr posthum bewiesen wäre: Christine Nöstlinger konnte das wahre Leben ihrer Leser ganz gut abbilden. Und dabei gut unterhalten.