Josef Winklers Schriftstellerkarriere entspricht dem Muster biografischer Entwicklung: Aus dem jungen Wilden, der mit kaum zu zähmendem Furor gegen seine dörfliche Herkunftswelt an der Drau revoltierte, ist ein anerkannter Autor und solider Familienvater geworden. Direkt absehbar war dies Anfang der 1980er Jahre freilich noch keineswegs. Versehen mit offiziellen Ehren wie dem Georg-Büchner-Preis, ist der mittlerweile im Pensionistenalter stehende Autor zu einer Kärntner Künstlerinstanz avanciert, die etwa zu offiziellen Anlässen gebeten wird, Ansprachen zu halten.

Kurzum: Winklers Weg führte vom Rebellentum zu einem Status der Arriviertheit. Darüber kann man sich nur freuen für ihn. Genauso gut könnte man Winkler einen Ausverkauf seiner radikalen Haltungen als Autor vorwerfen. Wie sich freilich von selbst versteht, gehen dergleichen Sichtweisen an der Komplexität der Sachlage vorbei. Richtiger wäre vielmehr, den Autor Josef Winkler aus einer Melange beider Perspektiven heraus zu verstehen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil der Ich-Erzähler in seiner Prosa nie wirklich identisch ist mit der realen Person, sondern eine autofiktionale Konstruktion, eine literarische Persona darstellt.

Gemischte Formen

Erkennbar wird diese Gemengelage nun so deutlich wie selten zuvor anhand seines neuen Buches: "Begib dich auf die Reise oder Drahtzieher der Sonnenstrahlen" ist eine Sammlung von kurzen Texten, die teils mehr literarisch, teils mehr essayistisch ausfallen. Manche sind bereits bekannt, andere erschienen eher entlegen.

Zumeist handelt es sich um Nachworte zu Werken anderer Autoren, die Winkler im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte verfasst hat. Des Weiteren enthält der Band auch seine bereits separat publizierte "Klagenfurter Rede zur Literatur" von 2009 als auch Kommentare zu Bildwerken und dergleichen mehr. "Begib dich auf die Reise" ermöglicht also, den Schriftsteller Winkler als Autor von Gelegenheitstexten kennenzulernen, in denen er zumeist aus der privaten Perspektive des Lesers oder Intellektuellen spricht.

Zugleich kommt es immer wieder zu einer Verwischung der Grenzen zwischen Essay und Literatur, Privatperson und literarischem Ich. Diese Texte wollen, das ist deutlich zu spüren, Teil des Werkes sein. Allerdings merkt man ihnen zugleich an, dass sie primär als Auftragsarbeiten verfasst wurden. Oder deutlicher gesagt: Highlights aus der schriftstellerischen Produktion von Winkler sind im Gemischtwarenladen von "Begib dich auf die Reise" eher weniger zu finden. So basieren die Nachworte zu Erzähltexten anderer Schriftsteller zumeist auf langen Zitaten daraus oder liefern kommentierte Nacherzählungen der Handlung. Oder sie setzen die Kenntnis der jeweiligen Texte voraus, was aber problematisch wird, wenn sie, wie hier, losgelöst vom ursprünglichen Kontext präsentiert werden.

Doch soll all dies nicht insinuieren, dass es sich um ein verzichtbares Buch von Winkler handelt. Zwar markiert "Begib dich auf die Reise" kaum den großen Alterstext, den wir uns von dem auf das 70. Lebensjahr zugehenden Winkler wünschen, sondern allenfalls einen Lückenfüller.

Einige Glanzstücke

Dennoch enthält der Band zumindest einige bemerkenswerte Texte. So beispielsweise den eindrucksvollen Bericht über eine Reise nach Teheran, während derer der Roman "Perrudja" von Hans Henny Jahnn zum Begleiter wird, während Winkler von den Absurditäten im islamischen Gottesstaat berichtet. Lesenswert ist auch sein Nachwort zu "Die andere Seite" von Alfred Kubin, in dem er die Parallelen der Erzählwelten im phantastischen Roman zu seinen literarischen Berichten vom Dorfleben hervorhebt.

"Begib dich auf die Reise" um-fasst also den ganzen Winkler, will sagen: die Tiraden gegen die Beschränkungen der katholischen Provinzwelt wie die Offenheit des Blicks während der Reisen in aller Herren Länder, sprachverliebte Diatriben und gnadenlos sezierende Analysen sowie die Reibungen in den Auseinandersetzungen mit den Werken anderer Schriftsteller, Dichter und bildender Künstler. Eine Fundgrube, ohne Zweifel, aber eben nicht das Werk von Josef Winkler, auf das wir so sehnsüchtig warten.