Geologie ist sein Leben. Die Erforschung von Gesteinen und Mineralien füllt den Tag von Dachs aus. Jeden Tag von früh bis spät sitzt er in seinem Arbeitszimmer im Haus von Tante Lula, einer Marderin, und untersucht seine Fundstücke. Bis zu jenem Tag, an dem plötzlich Stinktier vor seiner Tür steht und ihn mit der Tatsache konfrontiert, dass Tante Lula - und das ist der springende Punkt: Es ist eben ihr Haus und nicht das von Dachs - auch ihm ein Wohnrecht hier einräumt und er jetzt eben bei Dachs einzieht. Der kann sich gar nicht dagegen wehren, weil er nämlich - die entsprechenden Briefe von Tante Lula nicht gelesen habend - völlig überrumpelt ist und keine Gegenstrategie hat.
Und da stehen sie nun einander gegenüber, die beiden Mitbewohner wider Willen - wobei: Dachs will nicht, Stinktier schon. Weil Alleinsein keinen Spaß macht, findet er. Und weil er lieber für viele Gäste kocht als bloß für sich. Nur dass diese Gäste in Stinktiers Fall Hühner sind. Sehr viele Hühner. Sehr, sehr viele Hühner. Und Dachs fühlt sich bald selbst als Gast im eigenen Haus, zumal Stinktier Plätze darin okkupiert, die Dachs bisher für sich genutzt hat. Und seine Leerkartons zerstampft, weil er Platz schaffen wollte. Dass Stinktier offenbar auch ein exzellenter Koch ist, der ihm gleich am ersten Morgen ein Wahnsinnsfrühstück auf den Tisch zaubert, darüber sieht Dachs großzügig hinweg. Stattdessen fokussiert er auf alles, was ihn an Stinktier stört - bis aufgrund eines Wiesel-Zwischenfalls (Wiesel fressen Hühner und beißen Stinktiere) die Situation eskaliert und Dachs seinen neuen Mitbewohner samt gefiedertem Anhang aus dem Haus ekelt.
Aber der Leser weiß an dieser Stelle natürlich: Das ist nicht das Ende, die beiden werden sich schon wieder zusammenraufen. Vorher aber muss Dachs noch eine innerliche und äußerliche Katharsis durchlaufen. Diese beschreibt Autorin Amy Timberlake genauso pointiert wie die vorhergehenden Ereignisse. In witziger, einfacher Sprache, die auch Erwachsene unterhält. Apropos Erwachsene: Die Konstellation grummeliger, arbeitsverliebter Dachs, dem man nichts recht machen kann, und in jedes Fettnäpfchen steigendes, obwohl bemüht hilfsbereites und dabei nervtötendes Stinktier - diese Konstellation erinnert wohl nicht nur die "Zeit"-Rezensentin Anja Robert an gewisse Hollywood-Filme ihrer Kindheit. Sie vergleicht die beiden nämlich mit Walter Matthau und Jack Lemmon. Und wer das Buch nach diesem Gesichtspunkt liest, kann ihr eigentlich nur zustimmen. Würden die beiden noch leben, wären ihnen die Synchronstimmen in einer Zeichentrickverfilmung von "Dachs und Stinktier" sicher. Amy Timberlakes Buch macht Spaß von der ersten bis zur letzten Seite, auch beim Vorlesen. Einziger Kritikpunkt: Illustrator Jon Klassen hätte ruhig mehr Bilder hineinzeichnen dürfen.