Die Bücher von Marta Karlweis lohnen die Wiederentdeckung. 
- © Literaturmuseum Altaussee

Die Bücher von Marta Karlweis lohnen die Wiederentdeckung.

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Katharina weiß sehr gut, dass Georg sie nicht in seine Mansardenwohnung eingeladen hat, um Kaffee mit ihr zu trinken. Eben deshalb geht sie ja hin zu ihm in die Florianigasse, denn ihr Drang nach Liebe ist so stark wie seiner.

Also könnte jetzt "einvernehmlicher Sex" entstehen, wie ihn der Moralkodex des 21. Jahrhunderts zur Regulierung der Triebenergien empfiehlt. In einer Wiener Erzählung aus dem Jahr 1912 kommt es jedoch anders: Während Katharina die Wohnung betritt, nimmt sie erstmals einen widerlichen Ausdruck in Georgs Gesicht wahr. Wie es danach weitergeht - nämlich äußerst kompliziert -, das schilderte die damals dreiundzwanzigjährige Autorin Marta Karlweis in ihrer Novelle "Der Zauberlehrling".

- © DVB Verlag
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Marta Karlweis (1889-1965) ist in den letzten Jahren als hochinteressante Autorin wiederentdeckt worden. Das ist vor allem das Verdienst des Germanisten Johann Sonnleitner, der bereits drei Romane von Karlweis neu herausgegeben hat. Nun folgt ein Band mit drei Novellen. Neben dem "Zauberlehrling" enthält er noch zwei spätere, kürzere Texte, die nicht ganz die literarische Höhe der Titelerzählung halten. Aber schön zu lesen sind auch sie. Die Autorin geht mit analytisch scharfem Verstand zu Werke und ihre die Nuancen kultivierende Sprache fängt noch die leisesten Seelen- und Körperregungen ein.

Ein Beispiel aus der Novelle "Die Uhr auf dem Fenstersims" zeigt ihre Kunst: Der eleganten Luisa Joris entgleitet der Schleier, Sebald, ein Maler, den sie gerade zum ersten Mal sieht, fängt ihn auf, "genau so zart zugreifend, wie es ein so nichtiges Gewebe erfordert, und etwas lebhafter, als sie zu erwarten schien". So deutet eine Könnerin an, dass sich eine Affäre anbahnt. Alles Weitere steht in dem sehr zu empfehlenden Buch.