Es hat 40 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges gedauert, bis 1985 endlich eine Gedenkstätte für die Opfer des KZ-Außenlagers Redl-Zipf (Oberösterreich) errichtet wurde. Jahrzehntelang hatten Gemeindepolitiker, Kirchenvertreter und allen voran die Leitung der Brauerei dagegen Widerstand geleistet. Das Gedenken an den in den Kellern der Brauerei untergebrachten geheimen NS-Rüstungsbetrieb für Raketen sollte das Image der oberösterreichischen Brauerei und des Ortes im Hausruckviertel nicht beflecken.

Der Wiener Historiker Stefan Wedrac hat in seinem neuen Buch "Die Brauerei Zipf im Nationalsozialismus" die wechselvolle Geschichte des Brauunternehmens von der Gründung 1858 bis zur Gegenwart aufgezeichnet, wofür ihm auch erstmals ein umfassender Einblick in Firmenunterlagen gewährt wurde.

Illegale Nazis in Zipf

Der niederösterreichische Bauernsohn Franz Schaup hatte sich in Wien zum Geschäftsführer des jüdischen Wechsel- und Wertpapierhandelskontors Wertheim hochgearbeitet. 1858 kaufte er ein Landgut samt kleiner Brauerei in Zipf bei Vöcklamarkt, wo er auch eine Schule bauen und Sümpfe trockenlegen ließ. Das Familienunternehmen stieg bald über Aktionäre zu einer Großbrauerei auf, an der sich auch die in Linz angesiedelte Brau AG beteiligte.

Schon in den frühen 30er Jahren tummelten sich unter der Belegschaft viele illegale Nationalsozialisten. Am 1. Mai 1934 wurde eine Hakenkreuzfahne am Schornstein der Brauerei gehisst. Auf Anordnung der Gendarmerie musste sie derselbe Rauchfangkehrer, der sie zuvor aufgehängt hatte, wieder einholen.

Nach Hitlers Machtübernahme 1938 in der "Ostmark" florierte auch der Bierabsatz von Zipfer durch Belieferung der SS-Kantinen und Wehrmachtskasernen in der Region. Kurios liest sich der Briefverkehr des neu bestellten Geschäftsführers Werner Kaltenbrunner mit seinem Bruder Ernst, der vom SS-Sicherheitschef in Linz zum Leiter des "Reichssicherheitshauptamtes" in Berlin aufsteigen sollte. Zunächst setzte sich der SS-Mann für Bierlieferungen aus Zipf ein, aber bald klagte er darüber, dass die Zipfer Brauerei im Gegensatz zu anderen Konkurrenten keine größeren Geldspenden an die SS zahlen wollte.

Im Zweiten Weltkrieg setzte Hitler als Antwort auf britische Bombardements deutscher Städte durch Flugzeuge 1943 auf die Produktion von düsenbetriebenen Flugbomben wie A4, V1 und V2. Die wurden zunächst auch in den "Rax-Werken" bei Wiener Neustadt produziert. Doch nach Bombenabwürfen der britischen Luftwaffe wurde die gesamte Produktion in unterirdische Fertigungshallen verlegt, darunter auch in die im Schlier-Gestein angelegten Brauereikeller von Zipf.

Der kleine Ort lag strategisch günstig nahe der Westbahn. Einwände der Brauereileitung - schließlich mussten sie zwei Drittel der Lagerkeller dem Rüstungsbetrieb abtreten - wurden vom Gauleiter August Eigruber persönlich abgewiesen. Schon Anfang Oktober 1943 kamen die ersten Häftlinge aus dem KZ-Mauthausen an, die als Zwangsarbeiter zunächst Baracken errichteten und dann für den Rüstungsbetrieb unter Tage schuften mussten.

267 tote Zwangsarbeiter

Im Spätherbst 1943 waren es bereits 1.900 Häftlinge, die bei der Schwerstarbeit auch misshandelt und getötet wurden, vor allem Russen, Franzosen, Polen, Jugoslawen und Griechen. Laut Totenbuch kamen mindestens 267 Zwangsarbeiter in Zipf ums Leben. In zwei Betrieben wurde flüssiger Sauerstoff für Raketentreibstoff erzeugt und Brennkammern für Raketen getestet. Bei dieser gefährlichen Arbeit, bei der turmhohe Stichflammen aus einem Schacht aufstiegen, kam es immer wieder zu Unfällen. Bei zwei großen Explosionen kamen 1944 dutzende Menschen ums Leben. Prominentestes Opfer war Ilse Oberth, Tochter des deutschen Raketenpioniers, die beim Prüfstand gearbeitet hatte.

Bei Kriegsende wurden die KZ-Baracken abgetragen, bis in die 50er Jahre wurden auch die Reste des Rüstungsbetriebs beseitigt. Mit dem historischen Erbe wurde viele Jahre seltsam umgegangen. So spendete die Brauerei 1969 dem in den USA wirkenden deutschen Raketenbauer Wernher von Braun zur Mondlandung eine Kiste Bier.

Heute können noch Teile des Raketenteststandes, Stollen und ein Bunker besichtigt werden. Die Brauerei erlaubt dem Gedenkverein "Schlier" aber nur einen Besuch pro Jahr.