Am Pool herrscht chilliges Urlaubsfeeling. Man "sommert", um es mit einem Begriff von Peter Richter zu sagen, der uns mit seinem satirischen Roman "August" amüsant-tragische Einblicke in die Welt der sehr gehobenen Mittelklasse gewährt. Ganz exklusiv, versteht sich.

Viel passiert in diesem Kreis unter der Sonne über Long Island nicht. Wenn man nicht gerade das kerngesunde Bioeis (organic!) genießt oder auf der Matratze im Schwimmbecken döst, stellt man gern aus, was man im Leben schon erreicht hat.

Doch so ganz will das Quartett um Vera, Alec, Richard und Stefanie die Langeweile eines Spätsommers im Feriendomizil, gesäumt vom ach so süßen "Klang der Stille (...), vom Gesumme der Bienen", nicht loslassen. Für Abhilfe sorgt hier nur noch ein Guru - zum einen als Pfauenschmuck der Schönen und Reichen, zum anderen als veritabler Lebensberater bei Energiestörungen aller Art. Während sich eine der Protagonistinnen mit "astrologische[n] Diäten" und "Turbulenzen an ihrem Wurzelchakra" befasst, bemerken die anderen mehr und mehr, wie sich ein Abgrund unter ihrer dünnen Wohlstandsoberfläche auftut.

- © Hanser
© Hanser

Gewiss kann man diesem Roman mit seinen zahlreichen Spitzen gegen okkultistische Heilung unserer geschädigten Auren eine enorme Überzeichnung vorwerfen. Doch dieses Programm hat seine Berechtigung in der Parodie auf die Dekadenz des Gutmenschen-Lifestyles. Schlagfertige Pointen durchkrachen den Yoga- und Ayurveda-Kitsch, der sich wie glänzendes Wachs über die alternde Haut einer um ständige Selbstinszenierung bemühten Kaste legt. "Sind wir jetzt in dem Alter, wo wir Weine schön nennen?", fragt Alec in die Runde der allesamt von der Midlife-Crisis Erfassten.

Kein Zweifel, dieser Text unter der Käseglocke brilliert durch seine doppelten Böden und steht im Zeichen einer schonungslosen Dekonstruktion. Nicht nur das camouflierte Sinnvakuum des übersaturierten Bürgertums wird entlarvt, sondern ebenso die versteckte Ideologie hinter der Esoterik.

Gibt sie vor, selbstlos am individuellen Heil der noch nicht Erleuchteten interessiert zu sein, so macht doch Alec zum Schluss, als längst alle Beziehungen auseinandergebrochen sind, dahinter den "SPIRITUAL CAPITALISM" ausfindig: "Er sah jetzt ganz klar, dass die Aufforderung, ‚offen‘ zu sein, im Kern ‚kritiklos‘ meinte und ‚Unterwerfung‘." Folgen die Weisheiten der Work-Life-Balance-Coaches letztlich nur dem Diktat der Selbstoptimierung? Zielt der Ruf nach Entspannung nur auf eine Leistungssteigerung?

Wer die leichtfüßig geschriebene Story des 1973 in Dresden geborenen Autors genauer liest, wird einer erhellenden philosophischen, politischen und psychologischen Komplexität gewahr. Im laborartigen Setting seines Quartetts gelingt ihm eine herrlich überbelichtete Milieustudie. Sie fördert in genialen Dialogen und Beschreibungen untergründige Zusammenhänge und Widersprüche zutage und liest sich wie das literarische Pendant zum Film "Truman Show".

Am Ende setzt sich die Erkenntnis durch: Es ist eben alles nur ein Bluff - aber ein wahnsinnig beeindruckender!