Am 11. Oktober wird die Schriftstellerin Ulrike Draesner in Leipzig mit einem hochdotierten und herausragenden Literaturpreis ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heißt es, die 1962 geborene Autorin habe ein breites Werk an wortgewaltiger Lyrik, an Erzählungen, Romanen und pointierten Essays veröffentlicht:
"Ulrike Draesner konfrontiert uns mit Unvereinbarem und Schmerz. Sie experimentiert mit literarischen Formen und fordert die Sprache heraus, ohne ihr Pu-blikum dabei aus den Augen zu verlieren. Ihre Lust am Erzählen und an der Wirkungskraft des Wortes (...) ist so ansteckend, dass ihr die Jury den Großen Preis des Deutschen Literaturfonds 2021 zuspricht."
Der ist mit 50.000 Euro dotiert. Damit steht er neben dem Georg-Büchner-Preis, dem wohl angesehensten Literaturpreis in Deutschland, den die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt vergibt.
Darbende Dichter
Aber wer oder was ist der Deutsche Literaturfonds? Er ist die potenteste, im Spektrum der Aufgaben und Arbeitsfelder breitest aufgestellte Organisation zur Förderung der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur, also der deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, auch jener in Österreich und der Schweiz oder wo immer sie leben oder woher sie kommen. Auch der Literaturfonds hat seinen Sitz in Darmstadt auf der Mathildenhöhe - Künstlerkolonie und Unesco-Weltkulturerbe! - im selben Gebäude und in lockerer Kooperation mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung seit seiner Gründung im Jahr 1980.
Nicht erst seit Heinrich Bölls berühmter Rede zum Ende der Bescheidenheit anlässlich der Gründung des "Verbands deutscher Schriftsteller" (VS) 1969 gärte es in der Literaturszene, "wir lassen uns dirigieren, kujonieren, Prozente und Honorare diktieren ...", hatte Böll festgestellt. 1978 wurde öffentlich diskutiert: "Sterben Schriftsteller aus?" Die ökonomische Situation der literarisch Schreibenden war Besorgnis erregend: Man zählte nur noch 2.000 Autorinnen und Autoren im Land der Dichter und Denker!
Am 4. Juni 1980 unterzeichneten deshalb die Vorstände der großen literarischen Vereinigungen VS, PEN, Börsenverein des Deutschen Buchhandels, VG Wort und andere das Gründungsprotokoll für den Deutschen Literaturfonds. 1981 begann die Arbeit mit lediglich zwei Festangestellten und ehrenamtlichen Mitarbeitern in den Jurys und Vorständen. So konnten die Kosten für den "Apparat" klein gehalten werden.
Qualitätsanspruch
Von Beginn an lag die Finanzierung bei der deutschen Bundesregierung, die der neuen Institution die vollständige Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zusprach. Ebenso von Beginn an ist in der Satzung des Literaturfonds festgelegt, dass einzig und allein ein hoher qualitativer Maßstab gelten soll. Um den ringen die wechselnd besetzten Gremien aus Fachleuten - Kritikern, Autoren, Verlegern, Bibliothekaren - in drei Kuratoriumssitzungen pro Jahr.
Der Literaturfonds begreift sich als die Spitzenförderung der deutschsprachigen Literatur. Für rund 320 Anträge im Jahr stehen dem Fonds zurzeit zwei Millionen Euro zur Verfügung. Ein Betrag, der es ermöglicht, zwischen 10 und 12 Prozent der Anträge positiv zu bescheiden.
Der Fonds vergibt Stipendien für anspruchsvolle Belletristik (in der Regel 3.000 Euro im Monat, längstens ein Jahr lang), fördert in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Jugendliteratur (AKJ) auch Jugend- und Kinderliteratur, unterstützt literarische Traditionen und Editionsvorhaben von Bedeutung, Literaturzeitschriften, Veranstaltungen zur Weiterentwicklung zeitgenössischer Literatur, Modellvorhaben für die Vermittlung deutschsprachiger Gegenwartsliteratur im In- und Ausland, qualifizierte Übersetzungen, Initiativen, die das Interesse an Literatur wecken, bedeutende Symposien und Veranstaltungen zur zeitgenössischen Literatur. Er geht Kooperationen ein, zum Beispiel mit Organisationen, die sich der literarischen Weiterentwicklung im Kinder- und Jugendtheater widmen, der Dramatikerausbildung, der Lyrik und ihrer Vermittlung und bringt mit dem Projekt "Weiter Schreiben" Autorinnen und Autoren aus Kriegs- und Krisengebieten in Arbeitskontakte mit deutschsprachigen Schriftstellern.
Projekte und Hilfe
Last, not least vergibt der Fonds Preise. Neben dem Großen Preis des Deutschen Literaturfonds den Paul-Celan-Preis für herausragende literarische Übersetzungen. In Zusammenarbeit mit Darmstädter Gymnasien trägt er jährlich den Wettbewerb um die Kranichsteiner Literaturförderpreise aus. Und vergibt dazu ein New-York- und ein London-Stipendium von jeweils zehn Wochen.
Aus naheliegenden Gründen war und ist der Deutsche Literaturfonds auch im Projekt "Neustart Kultur" gefragt: Mit diesem hat die deutsche Bundesregierung mit zwei Milliarden Euro ein Corona-Hilfspaket für notleidende Künstler geschnürt. Ohne öffentliche Veranstaltungen, Lesungen, Begegnungen und Diskussionen hatten viele Autorinnen und Autoren aller literarischen Gattungen Teile ihrer Lebensgrundlage verloren.
Der Literaturfonds wurde damit beauftragt, mit Unterstützung seiner Gründungsmitglieder und produktiven Ideen für Hilfe zu sorgen. Dafür hat der Bund dem Fonds bisher 16 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ich darf sagen: Man arbeitet - mit Freude - Tag und Nacht daran!
Wer noch mehr wissen will: www.deutscher-literaturfonds.de.