Eigentlich hätte Bill Hoffman ein freies Wochenende, doch dann springt er auf Bitte seines Chefs als Pilot für einen Flug von Los Angeles nach New York ein - und bereut es kurz nach dem Start. Denn ihn erreicht statt des obligatorischen "Gut abgehoben? Hab dich lieb!"-Anrufs seiner Frau im Cockpit eine ganz andere Botschaft: Sie wurde mit den beiden Kindern kurz nach seinem Aufbruch überfallen und sitzt nun mit einer Sprengstoffweste im Wohnzimmer. Bill wird nun vor eine schreckliche Wahl gestellt: Entweder vergiftet er die 149 Menschen an Bord des Flugzeugs mit Gas und lässt die Maschine abstürzen - oder seine Familie stirbt. Wobei für ihn von Anfang an feststeht: Dieses Flugzeug wird nicht abstürzen. Und seine Familie wird überleben. Aber wie soll das gelingen?

Autorin T. J. Newman, die selbst bis zum Vorjahr als Flugbegleiterin gearbeitet und ihr Buch "Flug 416" auf unzähligen Nachtflügen geschrieben hat, entwirft einen packenden Thriller, der immer neue Wendungen bereit hält. Das beginnt bei der Handlung in der Luft, wo der Kapitän nicht nur mit seinem Gewissen ringt, sondern auch mit dem Komplizen des Entführers, der dafür sorgen soll, dass er eine Entscheidung trifft. Es zieht sich weiter durch die Crew, die irgendwann mit dieser Situation konfrontiert wird und damit umgehen muss. Und auf dem Boden kämpft nicht nur Bills Frau Carrie um das Überleben ihrer Familie, sondern auch die Behörden werden irgendwann auf die Unregelmäßigkeiten bei Flug 416 aufmerksam und sorgen damit für weitere Unsicherheitsfaktoren in diesem Thriller, der mit relativ wenigen Hauptfiguren auskommt, in dem aber alle paar Seiten eine neue Wendung ihren Lauf nimmt.

Dabei erzählt T. J. Newman nicht nur eine spannende Geschichte über ein quasi entführtes Flugzeug, sondern liefert auf der Metaebene auch eine kleine Abhandlung über das Schicksal der von den USA im Stich gelassenen Kurden. Selbst das Thema Rassismus kommt am Rande vor. Und sie beherrscht die Kunst, einerseits dick aufzutragen - etwa wenn sich ein FBI-Agent aus besserem Wissen über sämtliche Dienstanweisungen hinwegsetzt und dabei eine Spur der Verwüstung hinter sich lässt - und andererseits mit Feinheiten zu arbeiten: etwa dem Dilemma, ob man nun im Flugzeug das Internet deaktivieren soll, damit keine Panik unter den Passagieren ausbricht, und dabei aber für Bill die einzige Verbindung zum Entführer kappen würde, oder eben nicht.

Es sind rund 400 Seiten voller Psychologie, aber auch Action, die eigentlich danach schreien, verfilmt zu werden. Natürlich steckt auch viel Pathos drinnen, und es sind uramerikanische Helden, die hier 149 Seelen vor dem sicheren Tod zu retten versuchen, aber das tut dem Unterhaltungswert keinen Abbruch. Zumal die Autorin durch ihre eigene Erfahrung und die Hilfestellung mehrerer Piloten die Szenerie in Cockpit und Kabine möglichst authentisch darstellt. Das Lob von Lee Child oder James Patterson, das die Autorin für ihr Buch bekommen hat, ist absolut nachvollziehbar. Die Filmrechte wurden vor kurzem in einer großen Auktion mit 14 Studios für 1,5 Millionen Dollar an Universal Pictures verkauft. Einzig bei der Flugnummer hätte sie vielleicht besser eine andere gewählt. Denn am 30. Oktober 1974 ist tatsächlich ein Flug 416 abgestürzt - allerdings in der kanadischen Arktis und nicht im Anflug auf den Big Apple.