"Wer über das Mädchen nachdenkt, denkt über Anfänge nach." Dieser Satz wiederholt sich mehrmals in Teresa Präauers knapp 80 Seiten umfassendem Erzählband. Er führt sie gedanklich immer wieder zurück in ihre Mädchenzeit.
Ihre Überlegungen umfassen dabei neben persönlichen Erinnerungen auch gesellschaftspolitische Fragen, ambivalente Rollenbilder, Identitätssuche, sprachliche und ästhetische Phänomene, Fortschritte und Rückschritte, Abgrenzungen, Tabus und Limitierungen: "Wieso haftet dem Mädchen eigentlich noch so vieles an, was als einschränkend wahrgenommen werden kann? Und wo ist dieser andere Freiraum zu finden, auch gerade derjenige, der im Kontrast zu den Buben steht?"
Der Kontrast zu den Buben - die Diminutiv-Entsprechung zu Mädchen würde wohl Bübchen lauten - wird auch anhand eines konkreten Beispiels aufgezeigt. Die Autorin beginnt ihren Bericht in einem Spielzimmer: "Wir beginnen mit einem neunjährigen Kind, einem Buben, ausgerechnet hier und jetzt." Der Bub, der immer wieder in die Geschichte "hineinspielt", hat seine martialischen Ninjago-Figuren aufgestellt und die Berichterstatterin spielerisch gefesselt, was auch als Hinweis der Autorin auf das Gefesselt-Sein an Erinnerungen verstanden werden kann.

"Wieso bringt mich dieser Junge dazu, über das Mädchen nachzudenken? Erinnere ich mich denn an meine eigene Kindheit, sobald ich ihm zusehe, wie er spielt und baut und schießt? Oder ist er so etwas wie das Gegenprogramm zu diesem Mädchen-gewesen-Sein?"
Als kritische Zeuginnen und Zeugen in Bezug auf hinterfragenswerte Mädchenbilder (die ja auch Frauenbilder sind) ruft die Schriftstellerin und bildende Künstlerin Teresa Präauer viele andere Künstlerinnen und Künstler auf, so die Schriftstellerinnen Irmgard Keun und Annie Ernaux, die Fotografin Cindy Sherman, die Illustratorin Maira Kalman, den Schriftsteller Peter Handke und den Dichter John Ashbery, aber auch junge Mode-Bloggerinnen und Influencerinnen haben ihren Auftritt: das Mädchensein heute als Balanceakt zwischen Paillettenkleidern und Skateboard-Dress, zwischen Erstarrung, Aufbruch und Experiment.
Teresa Präauer beobachtet und analysiert differenziert, empathisch und sensibel, ohne sich in die Veranschaulichung festgefahrener Rollenklischees zu verbeißen. Assoziativ-anekdotisch fließen Erinnerungs- und Schreibprozess unmittelbar ineinander, der Stil wirkt bei aller Präzision entspannt. Manche Überlegungen bleiben als noch unausgegorene Ideen oder als Frage im Raum stehen und werden nicht weiter verfolgt, wobei die Autorin gewitzt anmerkt: "Daraus lässt sich keine allgemeine These ableiten, aber vielleicht reicht ja das Persönliche auch einmal aus, um hier diesen Absatz zu Ende gehen zu lassen."
Das Persönliche, das Beobachtete, das Überlegte und letztlich Geschriebene reichen in jedem Fall aus, um Präauers Text als unbedingt lesenswert weiterzuempfehlen.