Man mag es kaum glauben, aber "Bauer sucht Frau" ist eines der erfolgreichsten und langlebigsten Formate des Senders ATV. Inzwischen ist man in Staffel 18 angekommen, und ein Ende ist nicht abzusehen: "Du bist Bäuerin oder Bauer und Single? Du willst dich mit Hilfe von Arabella Kiesbauer auf die Suche nach deinem Traumpartner begeben?" Dann möge man sich bitte bewerben, heißt es auf der Webseite. Denn das Versprechen ist groß: "Mit ein wenig Glück kehrt auch auf deinem Hof bald die große Liebe ein."

Auch Jakob, der Erzähler in Reinhard Kaiser-Mühleckers neuem Roman "Wilderer", sucht eine Frau. Er bewirtschaftet den elterlichen Hof irgendwo in Oberösterreich, nachdem sich der Vater als eher glückloser Landwirt erwiesen hat. Drei Generationen wohnen unter einem Dach, "aber zwischen den einzelnen Wesen gab es irgendwie keine Verbindung". Jeder lebt für sich, einzig gegessen wird gemeinsam, "das war Gewohnheit, nichts weiter, und wäre es nicht so, wäre es anders". Jakob hat am liebsten seine Ruhe, trinkt abends auf dem Balkon noch ein paar Bier und lauscht dem Lärm der nahen Autobahn.

Vorläufiges Glück

Ähnlich lustlos-gewohnheitsmäßig sucht er auf der Internetplattform Tinder nach einer Frau, aber eigentlich möchte er nicht wahrgenommen werden, nicht von Frauen im Netz und nicht von den Leuten im Dorf. "Was sollten sie, die keine Ahnung hatten, anderes sehen als das: einen weiteren Untergeher, einen weiteren Verlierer." Als Bauer bleibt einem doch eigentlich nur der Suff oder der Strick.

Doch da taucht eines Tages Katja auf, Künstlerin aus der Stadt, die als Stipendiatin in den Ort kommt. "Du bist also Landwirt? Das stelle ich mir aufregend vor?", schreibt sie ihm nach der ersten Begegnung, und was folgt, könnte tatsächlich "Bauer sucht Frau" entsprungen sein: Das Liebesglück hält Einzug, sie bekommen einen Sohn, der Hof floriert und expandiert (Bio, Hofladen). Das Problem ist nur: Wir befinden uns in einem Roman des 1982 geborenen Reinhard Kaiser-Mühlecker, und darin ist für heile Welt und Happy End nicht wirklich Platz.

- © S. Fischer
© S. Fischer

Jakob kennt der Kaiser-Mühlecker-Leser bereits aus dem 2016 erschienenen Roman "Fremde Seele, dunkler Wald", in dem die Geschichte des Brüderpaars Jakob und Alexander erzählt wurde. "Wilderer" ist eine Art Fortsetzung, doch man muss die Vorgeschichte nicht kennen, um sofort wieder in den Bann dieses ganz besonderen Erzählens zu geraten.

Das gesamte Romangeschehen erfahren wir aus Jakobs Sicht, und umso eindringlicher erleben wir mit, warum es nichts werden kann mit einem glücklichen Familienleben. "Vor langer Zeit, am Ende der Kindheit, mit zwölf oder dreizehn, war etwas über ihn gekommen, das ihn nie mehr verlassen hatte seither, das Gefühl, aus dem Dasein verbannt worden zu sein, aber nicht ins Jenseits oder ins Nichts, sondern wie in ein Abseits, in dem er aber nicht wirklich weiterleben durfte. Am Fenster des Daseins: Dort saß er und wartete."

Verbunden ist dieses Gefühl der Lebensfremdheit und des Außenseitertums mit einer latenten, unter der Oberfläche brodelnden Gewalttätigkeit. Im Laufe des Romans tötet Jakob zwei seiner Hunde, weil sie wildern (diese beiden "Morde" gehören zu den besonders eindringlichen Passagen), aber es ist zugleich der Versuch, das eigene Raubtierhafte in sich abzutöten. Dieses "Namenlose" in ihm, diese "Naturgewalt", die sich seiner Kontrolle entzieht, zerstört am Ende auch die Beziehung zu Katja. Er wisse nicht, was Liebe sei, sagt sie eines Tages zu ihm. Er selbst glaubt zwar, sie und den Sohn Marlon zu lieben. "Vielleicht wusste er es wirklich nicht; vielleicht lag das irgendwie in der Familie."

Wie viel Macht hat der Mensch über das eigene Leben? Und wie sehr bestimmen Herkunft und frühe Prägungen unser "Mindset", wie Jakob das nennt, unseren Blick auf uns selbst, die Umwelt und das Leben? Darum kreisen seine Gedanken, und es sind die Grundthemen von Kaiser-Mühleckers inzwischen ziemlich reichem Erzählkosmos.

"Ob er ein anderer gewesen wäre in einer anderen Gegend als seiner. Ob an einem anderen Ort nicht geschehen wäre, was geschehen war irgendwann: dass diese Tür in ihm zufiel und er den Ausgang nicht mehr fand, er immer nur - suchend, suchend - entlangstrich an einer glatten, fugenlosen Mauer." Für kurze Zeit glaubt sich Jakob "angekommen" im eigenen Leben. Aber das erweist sich als Illusion.

Leise Wucht

Dieser eindrucksvolle Roman ist vor allem deshalb so gelungen, weil er konsequent aus Jakobs Perspektive erzählt ist. Das macht das Untergründige in seiner Seele noch unwägbarer, weil es für ihn ja quasi der Normalzustand ist, und entsprechend unaufgeregt, ja manchmal fast teilnahmslos-nüchtern wird erzählt von diesem gescheiterten Versuch, die "Geisteshaltung", das "Mindset" zu ändern.

Kaiser-Mühleckers Sprachstrom fließt wie gewohnt ruhig, manchmal fast ein wenig altmodisch wirkend dahin, und doch ahnen wir an unzähligen Stellen die
Untiefen dieser Seele, ihre existenzielle Verlorenheit. "Wilderer" ist ohne Zweifel ein Höhepunkt im eigenwilligen Werk dieses eigenwilligen Autors - ein Buch von leiser Wucht, ein Bauern- und Heimatroman, wie er moderner, eindrücklicher, illusionsloser nicht sein könnte.