Gut, es ist ein kleines Manko des Buchs "Staat tragen", dass Queen Elizabeth II. kein Kapitel gewidmet ist. Schließlich kann man über die Garderobe der Königin viel erzählen - denn ihre Garderobe hatte viel zu erzählen. Die Sprache der Kleider versteht Daniel Kalt, Chefredakteur des "Schaufenster" der "Presse". In seinem Buch über das Verhältnis von Mode und Politik hat er sich freilich nur auf gewähltes Demokratiepersonal beschränkt.
Ausschlaggebend für die Beschäftigung mit dem Thema war Brigitte Bierlein. Als diese als Bundeskanzlerin vorgestellt wurde, imponierte Kalt ihr üppiger Rüschenkragen, der ihn an die US-Höchstrichterin Ruth Bader-Ginsburg erinnerte. Ein Artikel, den er darüber verfasste, wurde vom Empörium in der Luft zerfetzt - man könne doch die neue Regierungschefin nicht gleich nur auf ihr Äußeres reduzieren. Der undifferenzierte Vorwurf wiederum ärgerte Kalt so, dass er sich weitere Politiker - auch Männer - vornahm und die Signale, die diese mit dem, was sie anziehen, aussenden, analysierte. Von Turnschuhen an Joschka Fischer und Wolfgang Mückstein über die Handtasche der Margaret Thatcher, die sie auch als physisches Zeichen der Durchsetzung nutzte, von Alexandra Ocasio-Cortez Abendkleid mit der Aufschrift "Tax the Rich" (Besteuert die Reichen) über Madeleine Albrights vielsagende Broschen bis zu Angela Merkels Uniform aus bunten Sakkos. Von der Bedeutung von weißen Hosenanzügen bei Politikerinnen - eine Anspielung auf die Suffragetten - bis zu Melania Trumps Parka mit der Aufschrift "I really dont care. Do U?" (Mir ist es egal. Und dir?). Die ist übrigens dann doch eine ungewählte Person in diesem Buch - ob die damalige First Lady mit diesem Nihilismus die Flüchtlingslager, die sie besuchte, meinte oder ob es ein unbedachter Toilettefehler war, das kann Kalt in seinem sonst ersprießlich-erhellenden Buch auch nicht beantworten.