Die Endzeit hat nicht erst seit Corona Konjunktur in den Künsten. An apokalyptischen Fernsehserien auf Netflix & Co. mangelt es nicht, und dass Marlen Haushofers Klassiker "Die Wand" nicht nur verfilmt, sondern auch wieder viel gelesen wurde, zeigt, dass die Gegenwart als reichlich beklemmend empfunden wird. Dystopien nennt man diese düsteren Zukunftsvisionen, und was früher eine Domäne der Science-Fiction war, findet sich nun regelmäßig im literarischen und filmischen Mainstream.

Auch Simon Strauß’ Novelle "zu zweit" spielt in einer Welt, über die eine Flutkatastrophe hereingebrochen ist und in der urplötzlich die große Leere herrscht. Nur der namenlos bleibende Verkäufer lauscht in seiner Dachkammer dem Rauschen des Regens. Seine Gedanken schweifen zurück in die Vergangenheit: zum elterlichen Geschäft, das er irgendwann übernommen hat, zur Mutter, die eines Tages das Weite gesucht, und zum Vater, der sich umgebracht hat; und zur ebenfalls namenlos bleibenden Vertreterin, die eines Tages im Laden stand und in die er sich sogleich verliebt hat.

Schließlich wagt er sich aus dem Haus. Draußen ist alles überschwemmt und von Menschen fehlt jede Spur. Left behind heißt dieses Genre im Englischen, und zu seinen Regeln gehört, dass sich wenigstens zwei zurückgelassene Seelen begegnen.

- © Tropen Verlag
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Als der Verkäufer von einer Brücke springt, landet er auch prompt auf einem Floss, auf dem die Vertreterin durch die Fluten treibt. Und nun streift er mit der Angebeteten, die er seit der ersten Begegnung nicht wiedergesehen hat, gemeinsam durch die verheerte Welt.

Ein ganzer ertrunkener Zoo treibt an ihnen vorbei, an Land brennen die Wälder, das Feld ist ein Meer aus Plastiksäcken. Am Ende landen die beiden in einer verlassenen Villa; ob sie die Katastrophe überleben, bleibt offen (und eher fraglich), aber entscheidend ist: Der Zufall wollte, dass sie einander fanden. Und nicht erst seit Anna Gavalda wissen wir: Zusammen ist man weniger allein.

In dieser Novelle ist so ziemlich alles unerhörte Begebenheit: die Flut, die zufällige Zweisamkeit, das Lebendige der Dinge, die wehklagen, sich erinnern und Wache halten. Der Verkäufer ist ein durch und durch romantischer Held, dessen Wahrnehmung und Fantasie seit Kindertagen weit über das Sichtbare hinausreichen. Nicht ohne Grund sind der Novelle Zeilen von Matthias Claudius vorangestellt, und auch sonst erweist sich Simon Strauß einmal mehr als unerschrockener Neoromantiker.

Diese romantische und durchaus modernekritische Haltung trug Strauß, als 2017 sein Romandebüt "Sieben Nächte" erschien, den Vorwurf ein, er bediene mit seiner "Ultraromantik" die Agenda der Rechten. Dass Strauß in diesen Verdacht kommen konnte, hatte vielleicht damit zu tun, dass er der Sohn von Botho Strauß ist, und der gilt nicht wenigen als Vorreiter eines neurechten Nationalismus.

Große Erregungs- und Irritationsgefahr besteht im Fall dieser Novelle aber nicht. Diesmal ist dem Romantiker Strauß das Ganze ein wenig zu glatt, zu manieriert geraten, die Figuren bleiben seltsam hölzern, auch sprachlich ist der weihevolle Endzeitton auf Dauer eher enervierend als erhebend. Das ist schade, denn gerade im ersten Teil, dort, wo Episoden aus dem Leben des Verkäufers erzählt werden, zeigt sich, was aus diesem Text hätte werden können. So aber säuft er ab in apokalyptisch-sinnbildlicher Überfrachtung.