Wir schreiben den 4. Februar 1973. Ein tapferer Wikinger macht sich auf, neue Welten zu entdecken, fremde Burgen zu erobern - und irrt sich gleich einmal in der Adresse. Das war einer der allerersten Comics, mit denen Dik Browne (1917 bis 1989) die Fans von Hägar dem Schrecklichen zum Lachen brachte. Und in weiterer Folge trug der US-Zeichner das seine dazu bei, mit dem Klischee von den wilden Horden aus dem Norden, die mordend und brandschatzend Europas Küstengebiete unsicher machen, aufzuräumen.

Denn Hägar ist im Grunde nicht viel anders als gleichaltrige Männer ein gutes Jahrtausend später: ein Vater, der Tag für Tag aufs Neue einem anstrengenden Job (in seinem Fall sind es halt Raubzüge) nachgeht, um seine Familie zu ernähren, sich mit einer anspruchsvollen Ehefrau (Helga braucht im Gegensatz zu Hägar keinen furchteinflößenden Beinamen) und zwei mitunter recht anstrengenden Kindern (Tochter Honi ist mitten in der Pubertät und wäre gern eine Amazone, Sohn Hamlet ist überzeugter Pazifist) herumschlagen muss und von mehr oder weniger inkompetenten Mitarbeitern (angeführt von Sven Glückspilz, der keinen Fettnapf auslässt) umgeben ist. Was, schon wieder lauter Klischees? Natürlich - aber sie bringen die Hägar-Leser seit 50 Jahren zum Lachen.

Hägar der Schreckliche feiert 50. Geburtstag. 
- © 2023 King Features Syndicate, Inc. / Distr. Bulls |© 2023 Egmont Comic Collection

Hägar der Schreckliche feiert 50. Geburtstag.

- © 2023 King Features Syndicate, Inc. / Distr. Bulls |© 2023 Egmont Comic Collection

"Jeder mag Wikinger"

So wie die Wikinger schon immer jene faszinieren, deren Vorfahren sie einst fürchteten. Wobei die wilden Nordmänner, auch Normannen genannt, nicht nur Krieger waren, sondern auch Händler, die auf einem Weltmarkt tätig waren - freilich gehörten Sklaven zu den wichtigsten Handelswaren, und die wurden auf Raubzügen "erworben".

Dik Brownes Sohn Chris Browne in den 1990ern mit einem deutschen Hägar-Sammelband. 
- © King Features Syndicate, Inc.

Dik Brownes Sohn Chris Browne in den 1990ern mit einem deutschen Hägar-Sammelband.

- © King Features Syndicate, Inc.

Die Epoche der Wikinger war übrigens relativ kurz: Sie begann im ausgehenden 8. Jahrhundert und endete bereits Mitte des 11. Jahrhunderts mit der Gründung der Königreiche Schweden, Norwegen und Dänemark sowie der Christianisierung Skandinaviens. Ihre Spuren haben sie aber in ganz Europa hinterlassen, nicht nur in der nach ihnen benannten Normandie.

Hägar und Helga - Szene einer Ehe. 
- © 2023 King Features Syndicate, Inc. / Distr. Bulls |© 2023 Egmont Comic Collection

Hägar und Helga - Szene einer Ehe.

- © 2023 King Features Syndicate, Inc. / Distr. Bulls |© 2023 Egmont Comic Collection

Ach ja, und Leif Eriksson soll um das Jahr 1000 herum der erste Europäer gewesen sein, der das amerikanische Festland betrat. Womit sich der Kreis zu Hägar schließt, den ein Amerikaner erfunden hat. Während Dik Brownes Sohn Chris Brown (der seit dem Tod des Vaters das Erbe weitergeführt hat und 2018 krankheitsbedingt an ein neues Team weitergeben musste) einmal meinte, der lakonische Wikinger mit dem roten Rauschebart und dem Schmerbauch sei "so was wie die Alternativ-Universum-Version meines Dads", nannte dieser selbst die optische Ähnlichkeit einen Zufall: "Ich wollte einen Charakter, der sofort zu identifizieren ist, universell erkennbar. Tja, ein Wikinger mit Hörnerhelm schien auf alle meine Anforderungen zu passen. Noch besser: Jeder mag Wikinger. Die kommen mit dem grausigsten Benehmen davon, einfach, weil sie Wikinger sind."

50 Jahre Hägar der Schreckliche (Egmont 2023, 288 Seiten, 36 Euro).
50 Jahre Hägar der Schreckliche (Egmont 2023, 288 Seiten, 36 Euro).

Zeitloser Humor

Und es ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen, dass des Familienlebens der Brownes Pate gestanden haben dürfte für Hägar, Helga, Honi und Hamlet. Denn im Grunde verhandelte der Autor mit seinen Comics großteils das Leben einer typischen US-Mittelschichtfamilie, nur halt in einer anderen Epoche angesiedelt, was dem Ganzen eine gewisse Zeitlosigkeit verleiht. Der Hägar-Humor lebt vor allem von Wortwitz, Situationskomik und den Folgen männlicher Selbstüberschätzung. Und für einen Gutteil der Gags ist Helga verantwortlich. Die hat ihren Hägar nämlich recht gut im Griff - und zwar ohne, dass der Möchtegern-Macho selbst es merkt. Ein Konzept, das in abgewandelter Form zuvor schon bei der Familie Feuerstein wunderbar aufgegangen ist.

Und Hägar selbst? Nun, der ist nicht unbedingt der Mutigste und auch nicht der Schlauste. Aber er hat das Herz am rechten Fleck. Und manchmal überrascht er selbst Helga. Das Auffällige an ihm ist seine Unauffälligkeit. Hägar ist kein Held, aber auch kein Antiheld. Er ist ein ganz normaler Typ, mit dem sich praktisch jeder identifizieren kann. Wo zum Beispiel Wickies Vater Halvar, der andere berühmte Comic-Wikinger, mit dem Kopf durch die Wand stürmen würde, überlegt Hägar vielleicht doch lieber zweimal, ob sich das wirklich lohnt. Und auch wenn er einmal auf die Schnauze fällt, dann folgt Hägar der Devise: Aufstehen, Hörnerhelm richten, weitergehen.