Sind Sie rassistisch? Nein, natürlich nicht, werden Sie jetzt sagen. Aber antirassistisch sind Sie vielleicht trotzdem nicht. Denn da gehört schon mehr dazu, als bloß zu sagen, dass einem zum Beispiel, "egal ist, ob jemand schwarz, weiß, grün oder lila ist", und man "keine Hautfarben sieht", weil "alle Menschen für mich gleich sind". Dann nämlich ist man schon wieder mittendrin im sogenannten farbignoranten Rassismus, der gesellschaftliche Realitäten und Machtgefälle zu relativieren oder auszublenden versucht, erklärt Tupoka Ogette. Die deutsche Autorin hat "Ein rassismuskritisches Alphabet" erstellt, das deutlich macht, wie komplex das Thema mittlerweile geworden ist.

Tupoka Ogette zeigt in ihrem Alphabet die vielen Facetten von Rassismus auf. 
- © CC BY-SA 4.0 / Tavin

Tupoka Ogette zeigt in ihrem Alphabet die vielen Facetten von Rassismus auf.

- © CC BY-SA 4.0 / Tavin

Wobei, so ganz stimmt das nicht. Komplex war es schon immer, und rassistisches Verhalten, ob nun gewollt oder ungewollt, weil aus Unwissen oder Ignoranz, gibt es schon viel länger als die "Black Lives Matter"-Bewegung und andere antirassistische Intitiativen. Bloß war die gesellschaftliche Sensibilität früher eine wesentlich geringere, zumindest bei uns in Mitteleuropa. Wahrscheinlich hängt es mit der historischen Entwicklung zusammen, dass die meisten auch bei uns benutzten Begriffe aus dem Amerikanischen stammen, wo die schwarze Bürgerrechtsbewegung Jahrzehnte früher aufbegehrte gegen die behauptete Vormachtstellung der weißen Bevölkerung. So haben sich inzwischen auch im deutschsprachigen Raum Kürzel wie BIPoc (Black Indigenous People of Colour) etabliert.

Es sind jedenfalls sehr viele englischsprachige Begriffe, die Tupoka Ogette in ihrem Alphabet aufzählt, von B wie Blackfacing über O wie Othering und T wie Tokenism bis W wie White Gaze. Manches kann man sich gleich zusammenreimen oder hat es schon oft genug gehört, etwa X wie Xenophobie, anderes bedarf erst einmal einer kurzen Erläuterung. Mitunter fragt man sich zwar, wo genau da jetzt der Rassismus sein soll und ob da nicht zu viel hineininterpretiert wird - aber genau hier setzt die Autorin ihren Hebel an und zeigt auf, dass eben viel mehr Rassismus in unserer Gesellschaft gelebt wird, als selbst jenen, die sich politisch korrekt fühlen, bewusst ist, wenn sie nicht selbst davon betroffen sind. 

Sie will aber mit ihrem Buch niemandem ein schlechtes Gewissen machen, sondern einfach sensibilisieren. Weil alleine schon das Nachdenken über Rassismus ein erster Schritt dagegen sein kann. Und gerade als sogenannter autochthoner, hellhäutiger Mitteleuropäer ist es umso aufschlussreicher, sich von einer Frau, die zwar ebenfalls qua Geburt eine Landsfrau ist, aber aufgrund ihres Aussehens oft nicht als solche wahrgenommen oder akzeptiert wird, die Welt des Rassismus erklären zu lassen.