Sie berichtet vom ausgeklügelten Plan, um als Teenager ihre Haare zu färben, von der Erfahrung auf Dating-Apps und Dates, die nicht ganz nach Vorstellung verlaufen sind. Mit amüsanten Anekdoten gewährt Phenix Kühnert Einblicke in ihr Leben. Doch "Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau. Über trans sein und mein Leben" regt zum Nachdenken an. Gelesen wurde sie früher als Bursche, geoutet hat sie sich als schwul - bis sie sich selbst eingestanden hat, als Mädchen geboren zu sein. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erzählt sie über ihr Buch und Erfahrungen als Trans Frau.
"Wiener Zeitung": Wie kam es zu Ihrem Buch "Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau"?
Phenix Kühnert: Es war witzig. Ich habe meinen Eltern und engen Freunden erzählt, dass ich ein Buch schreiben möchte. Sie haben gemeint, dass ich das niemals im Leben umsetzen werde. Zwei Wochen später hat mich der Haymon-Verlag angeschrieben, ob ich Interesse hätte, eines zu schreiben. Das war Schicksal. Mir war dabei wichtig, am Ende ein Glossar einzufügen, damit auch Leute wie meine Oma oder generell Menschen, die wenige Berührungspunkte mit der queeren Community haben, eine Übersicht haben. Es ist ein gutes Einstiegswerk.
Fiel es Ihnen schwer, Einblicke in Ihre Selbstfindung zu gewähren?
Meine Denkweise ist einfach: Ich bin ein erwachsener Mensch. Das Buch ist grundsätzlich für erwachsene Menschen ausgelegt. Wir können Dinge ansprechen. Natürlich gibt es auch Sachen, die ich nicht öffentlich preisgebe. Aber ich bin der Überzeugung, dass vieles in unserer Gesellschaft ent-tabuisiert werden muss. Es würde mich freuen, wenn das, was ich mache, gar nicht als besonders wahrgenommen wird. Es ist einfach, offen zu sprechen.
Hätten Sie sich als Teenager gewünscht, dass jemand mit dem Thema so offen umgeht?
Ich hätte gesehen, dass es Menschen gibt, die so fühlen wie ich. Besonders schön wäre es aber gewesen, wenn meine Eltern ein ähnliches Buch hätten lesen können, als ich noch ein Kind war. Ich bin schon damals von der Norm abgewichen und vieles hätten wir dadurch besser verstanden. Ich hoffe, dass das jetzt in ein, zwei Familien vielleicht durch mein Buch passiert ist. Dass es hilfreich ist für die Generation, die danach kommt. Und Medien tragen eine große Mitverantwortung. Es ist nach wie vor wichtig, dass es Plattformen gibt, die den Fokus auf Transgeschichten und andere marginalisierte Gruppen legen, um aufzuklären. Ebenso wichtig ist, wenn etwa in einer Serie eine trans Person vorkommt, bei der der Fokus nicht nur auf ihrer Transidentität liegt, sondern auf dem Menschsein. Dass das häufiger vorkommt, finde ich schön.
Haben Sie Ihren Eltern das Buch vorab zu lesen gegeben?
Meine Mutter war die erste Person, die das Buch gelesen hat. Das war emotional - vor allem, weil sie stolz auf mich ist. Es wurde mir auch der Tipp gegeben, sich eine Person zu suchen, die man während des Schreibens auf dem Laufenden hält. Das hat mir gutgetan, aber auch dem Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir. Es hat dazu geführt, dass wir noch enger zusammengerückt sind. Manche Dinge hat sie anders in Erinnerung als ich. Das ist normal, weil bestimme Momente im Gedächtnis anders abgespeichert werden. Wichtig ist, dass ich weiß, wie es für mich war.
Haben Sie sich so mit Erlebnissen auseinandergesetzt, die Sie sonst eher vermeiden würden?
Ich habe kurz vor und nach Druckschluss noch Passagen rausstreichen, aber auch hinzufügen lassen. In unserer Gesellschaft ist es immer noch ein schmaler Grat, was man erzählen darf und was nicht. Vor dem Schreiben habe ich schon ein paar Interviews gegeben, Gastartikel verfasst und Podcasts aufgenommen. Dadurch gab es schon einiges, von dem ich wusste, dass ich es unbedingt im Buch erzählen will. Danach kam der Moment, an dem ich realisiert habe, dass ich noch tiefer gehen muss, damit der Mehrwert so groß wie möglich wird. Das waren die schwierigsten Momente.
Gibt es trotz Ihrer Aufgeschlossenheit Themen, die Sie vermeiden?
Das ist hauptsächlich eine Gefühlssache. Ich kann nicht vorhersagen, ich erzähle etwas nicht. Es kommt immer auf die Situation an. Der Fokus liegt aber auf mir. Nicht aus einem egoistischen Standpunkt heraus, sondern weil beispielsweise meine Familienmitglieder keine Personen des öffentlichen Lebens sind. Dementsprechend möchte ich ihre Privatsphäre schützen. Das ist eine Grenze, die ich ziehe. Ich finde auch, dass speziell Genitalien von Trans Personen immer wieder großes Interesse hervorrufen. Darüber spreche ich nicht im Detail, weil ich die Sensationsgeilheit nicht weiter befeuern möchte.
Verspüren Sie Druck, als Frau wahrgenommen zu werden?
Was das angeht, werde ich immer souveräner und entspannter. Da hat sich seit der Veröffentlichung meines Buches viel geändert. Zeit und der Schreibprozess waren ausschlaggebend. Es ist krass, wie viel es gebracht hat, alles so detailliert aufzuschreiben.
Sie haben erzählt, dass Sie sich nur einmal geoutet haben - als schwuler Mann. War es verständlich für Ihre Vertrauten, wieso Sie eben nicht schwul sind?
Da ich meinen engen Kreis an dem Prozess teilhaben ließ, war das für die Personen, die mir nahestehen, nachvollziehbar. Da war zum Glück keine große Verwirrung. Deshalb war auch kein weiteres Outing nötig.
Sie schreiben über einen Arztbesuch, bei dem Sie als "Herr Kühnert" aufgerufen wurden. Sprechen Sie Menschen darauf an, wenn sie sich bewusst oder unbewusst transphob verhalten?
Als Privatperson ziehe mich schon aus Situationen zurück, in denen ich merke, dass Transfeindlichkeit vorhanden ist. Weil ich weder Lust noch Energie dafür habe. Als berufliche Person äußere ich mich zu Themen, solange ich die Kraft aufbringen kann. Da merke ich aber auch mittlerweile, dass ich mich nicht zu allem äußern kann und möchte.
Und wie gehen Sie mit misgendern um?
Es ist eigentlich nur noch am Telefon, dass ich persönlich vor solchen Problemen stehe. An guten Tagen schaffe ich es, die Person zu verbessern und weiterzumachen. An schlechten Tagen kann mich das auch heute noch aus dem Konzept bringen. Mir passiert das aber nicht mehr häufig. Früher war das mein Alltag. Das ist ein Privileg, dass Menschen, wenn sie mich sehen, jetzt in die richtige Geschlechtskategorie einordnen und richtig ansprechen.
Gibt es eine Botschaft, die Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ich würde mir wünschen, dass wir einander mit Respekt begegnen. Wir können über vieles reden, aber zuerst müssen wir respektvoll miteinander umgehen.