Schreibt der jetzt für Sie?" Ja, es ist längst klar: Thomas Bernhard schreibt für Nicolas Mahler. Und nicht nur er. Im Leipziger Literaturhaus ehrt den Comic-Künstler derzeit eine Ausstellung zu seinem Zeichenwerk: ",Ah! Thomas Bernhard. Den kenn ich. Schreibt der jetzt für Sie?‘ Nicolas Mahler zeichnet Artmann, Bernhard, Jelinek, Musil & Joyce". Die vom Autor zusammen mit Barbara Zwiefelhofer für das Wiener Literaturhaus kuratierte Schau ist nun im Rahmen der Leipziger Buchmesse zu sehen. Im Mittelpunkt stehen Mahlers Verarbeitungen literarischer Werke im Medium des Comics. Vor gut einem Jahrzehnt lud der Suhrkamp-Verlag den Autor dazu ein, eine literarische Vorlage aus dem Verlagsprogramm als Comic umzusetzen. Auf Thomas Bernhards "Alte Meister gezeichnet von Nicolas Mahler" (2011) folgte eine Reihe literarischer Inszenierungen, mit denen der Zeichner jeweils eigene Akzente setzte und das Medium um ungeahnte ästhetische Möglichkeiten bereicherte.

Eigenwillige Umsetzungen

Mahlers eigenwillige Umsetzungen sind inzwischen ein zentraler Teil seines Schaffens, sein Zeichenuniversum ist allerdings viel weitläufiger. Unter den vielen Genres, deren sich der Zeichner bisher - vorzugsweise parodistisch - bedient hat, rückt mit dem soeben erschienenen "Akira Kurosawa und der meditierende Frosch" der autofiktionale Autoren-Comic abermals ins Blickfeld. Der neue Band setzt eine Serie fort, die 2003 mit "Kunsttheorie versus Frau Goldgruber" begann. Es folgten "Die Zumutungen der Moderne" (2007), "Pornografie und Selbstmord" (2010) - später als "Die Goldgruber-Chroniken" erschienen - sowie "Franz Kafkas nonstop Lachmaschine" (2014). In den kurzen autobiografisch grundierten Comicstrips erweist sich der Zeichner zum einen als scharfer Beobachter und Belauscher, als unbestechlicher Augen- und Ohrenzeuge. "Alles ist genau so passiert!" Die Pointe ist dabei Mahlers Kontrapunkt. Vor den Augen der Betrachter verwandeln sich seine nachgezeichneten "unbedeutenden Ereignisse" in Perlen ironischer (Selbst-)Darstellung, handle es sich um anekdotische Episoden aus dem Alltag oder Eindrücke anlässlich seiner Japan-Einladungen.

Zum andern stellen die Comics eine höchst amüsante künstlerische Mitschrift kontroverser Auseinandersetzungen um das Medium Comic dar, das sich seit den 1990er Jahren neu zu erfinden und zu positionieren begann. Ausgerechnet eine Beamtin im Wiener Finanzamt hatte einst mit ihrer Geste des "Na das wird schon irgendwie ,Kunst‘ sein" Mahlers Comics zu Kunstwerken gekürt und damit eine Lanze für das Medium als künstlerisches Ausdrucksmittel gebrochen. Im aktuellen Band blickt der Künstler, in einer Hommage an die renommierte Schweizer Comiczeitschrift, auf seine ersten Erfolge im "Strapazin", wo seine "Weltkarriere" - "endgültig im sperrigen Kunstcomic-Olymp angekommen" - ihren Anfang nahm.

Liest man heute Mahlers frühe Abrechnungen mit den Professoren der Wiener Akademie der bildenden Künste der 1990er Jahre, so eröffnet sich eine bemerkenswerte Schleife. Als der junge Zeichner seine Mappe herzeigt und besagte Vertreter der Kunst ihr Desinteresse an den "erzählenden Bildfolgen" zum Ausdruck bringen, kontert Mahlers gezeichnetes Alter Ego: "Sie können auch Comic sagen." In der Zwischenzeit wurden die neuen Höhenflüge des Mediums vielfach vom Feuilleton gefeiert, und der Comic hat eine erfreulich positivere Aufnahme in der Gesellschaft erlebt. Die einstigen Schundhefte sind zu Graphic Novels avanciert. Entsprechend rücken Literaturmarkt und Kulturbetrieb stärker ins Visier des Satirikers.

Geringschätzung

Ist vielleicht nur die "kulturelle Abwärtsspirale" daran schuld, dass Comics in der Wahrnehmung gestiegen sind? Verbirgt sich hinter der Nobilitierung zur Graphic Novel lediglich eine alte Geringschätzung des Mediums? Wie kommt es, dass sein "Ulysses"-Comic in Österreich einzig und ausgerechnet eine Förderung als Kinder- und Jugendbuch erhielt? Eine zerlumpte Maus - nicht Micky, eher eine Ratte -, die Mahler in einen Mantel gehüllt, als Graphic Novel verkleidet, an eine österreichische Förderstelle herantreten lässt, wird am Ende als "schmutzige alte Comicfigur" enttarnt. Statt alles Comicartige verhüllend als Graphic Novel zu titulieren, fühlt man sich an einen frühen Satz des Zeichners erinnert: "Sie können auch Comic sagen."