Helena Adler, Anna Felnhofer, Robert Prosser und Mario Wurmitzer: Zwei Autorinnen und zwei Autoren, die beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis dabei sein werden. Zur Eröffnung am 28. Juni hält Tanja Maljartschuk die Klagenfurter Rede zur Literatur.
Fast ist es eine Hochzeit: Da soll die Braut etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes, etwas Blaues und einen Glückspfennig im Schuh tragen.
Etwas Altes: Das Wettlesen kommt mit der 47. Ausgabe so langsam in die Jahre. Etwas Geliehenes: Die Idee ist eine Weiterführung der Gruppe-47-Treffen. Etwas Blaues: Bei Schönwetter kann man dem Wörthersee diese Farbe durchaus zusprechen. Der Glückspfennig winkt in Form der Preise: 25.000 Euro als Bachmann-Preis, 12.500 Euro als Deutschlandfunk-Preis, 10.000 Euro als Kelag-Preis, 7.500 Euro als 3sat-Preis sowie 7.000 Euro und das Stadtschreiberstipendium als BKS Bank-Publikumspreis, die am 2. Juli vergeben werden.
Bleibt das Neue - und das ist in diesem Jahr das Punktesystem, mit dem die Preisvergabe ermittelt wird. Zu Beginn der Preisvergabe am Sonntag werden die Jurymitglieder live ihre Wertungspunkte abgeben. Der Justiziar übernimmt die Aufgabe, diese Abstimmungsergebnisse zu addieren und erstellt daraus die Preisträgerliste des Bewerbes, die sukzessive beginnend mit dem 3sat-Preis bekannt gegeben wird.
Das bisherige Abstimmungsverfahren unter den Juroren war wiederholt auf Kritik gestoßen. Immer wieder konnten Beobachter den Eindruck gewinnen, die Jury habe den Kompromiss gesucht. Außenseiterpositionen wie konventionelles Erzählen oder auch experimentelle Versuche waren kaum je mit dem Hauptpreis bedacht worden. Es herrschte ein "Bachmannpreis-Tonfall" vor, die echten Überraschungen bei den Auszeichnungen waren selten.
Das Punktesystem könnte das ändern - vielleicht noch nicht im ersten Jahr, aber mit der Zeit.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Sieben Autorinnen und sieben Autoren lesen heuer um den Bachmann-Preis. Die Teilnehmer aus Österreich sind allesamt keine Unbekannten in der Literaturszene. Die Salzburgerin Helena Adler kam sowohl mit "Die Infantin trägt den Scheitel links" (2020) als auch mit "Fretten" (2022) auf die Shortlist für den Österreichischen Buchpreis. Die Wienerin Anna Felnhofer erhielt 2021 für ihren Debütroman "Schnittbild" den Franz-Tumler-Literaturpreis und war für den Debütpreis nominiert. Von dem mehrfach ausgezeichneten gebürtigen Tiroler Robert Prosser ist im Frühjahr mit "Verschwinden in Lawinen" sein bereits siebentes Buch erschienen, und auch der Niederösterreicher Mario Wurmitzer machte bereits mit Büchern und einigen Theaterstücken auf sich aufmerksam.
Aus Deutschland kommen der in Charkiw geborene Lyriker, Übersetzer und Herausgeber Yevgeniy Breyger, Valeria Gordeev, die im Vorjahr mit Auszügen aus ihrem Debütroman "Die Zikade entschlüpft ihrer goldglänzenden Hülle" den oberösterreichischen Literaturbewerb "Floriana" gewann, Anna Gien, Sophie Klieeisen, Martin Piekar, Andreas Stichmann sowie Deniz Utlu, dessen Roman "Vaters Meer" im August bei Suhrkamp erscheint. In Frankreich geboren wurde der in Berlin lebende Spoken-Word-Künstler Jayrôme C. Robinet, aus London stammt die in Berlin lebende britische Autorin, Bloggerin und Kolumnistin Jacinta Nandi. Einzige Teilnehmerin aus der Schweiz ist die freie Theaterschaffende Laura Leupi.
Sowohl die Lesungen wie auch die Jurydiskussionen werden heuer wieder im ORF-Theater durchgeführt werden. Im vergangenen Jahr war im Garten gelesen und im Saal diskutiert worden, worüber speziell die Jury nicht glücklich gewesen sei, hieß es am Mittwoch. Programmpunkte, wie die Auslosung der Lesereihenfolge, möchte man aber weiterhin im Garten durchführen, bekräftigte der technische Leiter, Klaus Wachschütz, weiters werden die Teilnehmer hier auf die Entscheidung der Jury warten und auch eine Band wird im Freien spielen. Der Park werde übrigens nach Ingeborg Bachmann benannt, erklärte der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider (Team Kärnten). Termin, wann das Elternhaus von Bachmann als Museum eröffnet werden kann, gebe es noch keinen: "Da muss sehr viel umgebaut und aufbereitet werden."
Neue Jury-Mitglieder
Wie schon länger bekannt, ersetzen die Kulturwissenschafterin, Journalistin und Schriftstellerin Mithu Sanyal ("Identitti") aus Deutschland sowie der Schweizer Literaturwissenschafter und Kritiker Thomas Sträßle die ausgeschiedenen Jurymitglieder Vea Kaiser und Michael Wiederstein. Insa Wilke bleibt Vorsitzende der Jury, der wie bisher auch Mara Delius, Klaus Kastberger, Brigitte Schwens-Harrant und Philipp Tingler angehören.
Während Wiederstein freiwillig ausgeschieden war, hatte der Ersatz für Vea Kaiser andere Gründe, wie Bachmann-Preis-Organisator Horst L. Ebner erklärte: "Der errechnete Geburtstermin für ihr Kind ist der 5. Juli. Auch wenn wir beim Bachmann-Preis schon viel erlebt haben, aber eine Livegeburt traue ich uns nicht zu." Insgesamt freut er sich auf "einen der buntesten Bewerbe, die wir je hatten, sowohl was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, als auch was die Jury angeht".
Die zum Auftakt gehaltene Klagenfurter Rede zur Literatur von der ukrainischen Schriftstellerin Tanja Maljartschuk, der Bachmann-Preisträgerin des Jahres 2018, trägt den Titel "Hier ist immer Gewalt. Hier ist immer Kampf".
Neuer Moderator
Als Moderator löst Peter Fässlacher nach zehn Jahren Christian Ankowitsch ab. Es sei eine "Staffelübergabe", sagte Bachmann-Preis-Organisator Horst L. Ebner.
Die Kosten für den Bachmann-Preis bezifferte ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard mit insgesamt 550.000 Euro, was vor allem mit den Kosten für die Übertragung zusammenhänge. Dass der ORF sparen müsse, zeige sich auch beim Bachmann-Preis. So wird es heuer zum Beispiel kein Programmheft, sondern nur einen Flyer geben - per Scan des aufgedruckten QR-Codes sei man aber schnell auf der Website des Bachmann-Preises mit allen Infos.
3sat bietet auch heuer wieder mehr als 1.000 Sendeminuten live aus Klagenfurt.
Im Vorjahr gewann die in Niederösterreich lebende Slowenin Ana Marwan den Bachmann-Preis. (eb/apa)