Otfried Preußler ist tot. Der Schriftsteller starb, wie erst jetzt bekanntgegeben wurde, am 18. Februar in Prien am Chiemsee im Alter von 89 Jahren. Seine bekanntesten Bücher sind "Der Räuber Hotzenplotz", "Das kleine Gespenst", "Die kleine Hexe" und "Krabat".
Preußler gilt als Kinder- und Jugendbuchautor, doch darf diese Einstufung in seinem Fall noch wesentlich deutlicher hinterfragt sein als sonst. Nicht, weil "Kinder- und Jugendbuch" ohnedies eine schwammige Bezeichnung ist und nicht zuletzt vieles, was Verlage und kundige Literaturwissenschafter heute als solches einstufen, seinerzeit "Erwachsenenliteratur" war (was indessen nicht zum Schluss verleiten sollte, heutige Kinder und Jugendliche hätten die Auffassungsgabe damaliger Erwachsener), sondern weil Preußlers Bücher stilistisch dermaßen vollendet geschrieben sind, dass die Grenze zur dichterischen Prosa verschwimmt.

Preußlers Bücher sind durchzogen von einem individuellen und unnachahmlichen Tonfall. In ihm verbinden sich eigenwillige Wortwahl und ungewöhnliche Satzstellung zu einer Prosa von höchster Individualität. Ihre Wurzeln können durchaus biografisch erfasst werden. Es ist nämlich die Diktion der Sudetendeutschen mit ihrem Wortreichtum, ihrer präzisen Bildhaftigkeit, ihren klangvollen Archaismen.
Geboren wird Otfried Preußler am 20. Oktober 1923 im sudetendeutschen Reichenberg. Seine Lieblingsfächer in der Schule sind Deutsch und alle Fremdsprachen. Der Sohn eines Lehrerehepaars träumt davon, als Professor für deutsche Landesgeschichte an der Karlsuniversität in Prag zu unterrichten (und, für einen Knaben, der seit seinem 12. Lebensjahr Geschichten schreibt, nur natürlich, als Schriftsteller dort Fuß zu fassen). Doch nach der Matura 1942 wird Preußler zur Wehrmacht eingezogen. Er kommt in russische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung 1949 beginnt er ein Lehramtsstudium, daneben schreibt er als Lokalreporter. Für seine Geschichten fährt er mit dem Rad von Ort zu Ort.
Hexe, Räuber, Gespenst
Dann beginnt er, für den Kinderfunk zu schreiben. Und er arbeitet im Lehrberuf - aus Überzeugung. Denn als er 1970 in Rente geht, ist er längst einer der erfolgreichsten Autoren im deutschsprachigen Raum, nur als solcher nicht wahrgenommen durch einen Literaturbetrieb, der vermeint, über Genres wie Kinder- und Jugendliteratur hinwegsehen zu können. Seinen ersten großen Erfolg als Autor hatte Preußler nämlich schon 1956 mit seinem Kinderbuch "Der kleine Wassermann" verbuchen können. Im Jahr darauf folgte "Die kleine Hexe" und 1962 "Der Räuber Hotzenplotz", dem Preußler mit "Neues vom Räuber Hotzenplotz (1969)" und "Hotzenplotz 3" (1973) zwei Fortsetzungen nachschickt. Die Hotzenplotz-Bücher werden in 34 Sprachen übersetzt - bei der "Kleinen Hexe" sind es mittlerweile übrigens gar 47.
Preußler erweist sich in den Hotzenplotz-Geschichten nicht nur als Erzähler, der Humor und Spannung ideal kombiniert - er ist in ihnen auch ein Meister sprechender Namen, ohne diese Namen aus Funktionsbezeichnungen abzuleiten. Doch welch anderen Namen könnte ein Zauberer haben als Petrosilius Zwackelmann? Dass ein Wachtmeister Alois Dimpfelmoser und eine Witwe Schlotterbeck heißt, ist nachgerade naturgegeben. Und, eine persönliche Anmerkung sei gestattet, dass jeder Übeltäter mit unkonventionellen Eigentumsbegriffen in meiner kindlichen Diktion nur Hotzenplotz heißen konnte, versteht sich von selbst. Dass der geläuterte Hotzenplotz übrigens im letzten Teil der Geschichtenreihe zu Unrecht verdächtigt wird und Preußler damit eine Parabel über Vorurteile erzählt, sei nicht nur am Rande angemerkt.
Zumal Preußlers Geschichten, so elegant und leicht sie erzählt scheinen, immer wieder auch dunklere Seiten haben. "Die kleine Hexe" etwa fragt nach der Relation von Gut und Böse, was je nach Perspektive zu unterschiedlichen Ergebnissen führt.
"Das kleine Gespenst" handelt von Sehnsüchten und den Folgen eines unangemessenen Wunsches: Die Titelgestalt will endlich einmal das Tageslicht sehen und wird bei dessen Anblick schwarz, womit die natürliche Ordnung außer Kraft gesetzt ist und eine Verwirrung der nächsten folgt.
Endgültig in durchaus düstere Bereiche führt Preußler mit seinem Roman "Krabat" (1971), der auf der sorbischen Version der Volkssage von der Teufelsmühle basiert. Dass Liebe das Böse überwindet, das sich in Zauberei manifestiert, ist nur ein Teil dieser Geschichte. Andere Erzählstränge drehen sich um Not, um Freundschaft, um Angst, um Verweigerung von Hilfe, um Tod. Die Verlockungen von Macht und Manipulation sind die Triebfedern der Erzählung, die wohl für einige der Beteiligten gerade noch gut ausgeht - aber die Toten bleiben am Schluss tot, und es sind keineswegs nur Bösewichte unter ihnen.
Das Böse hat Folgen
"Krabat" zieht weite Kreise: Der österreichische Komponist Cesar Bresgen und der deutsche Komponist Fredrik Zeller komponieren Opern nach Preußlers Roman, die Avantgarde-Studioband "Stillste Stunde" singt "Mühle mahlt", die Frankfurter Rockband ASP macht daraus einen Lieder-Zyklus, und das Stuttgarter Ballett kündigt die Uraufführung des abendfüllenden Handlungsballetts "Krabat" in der Choreografie von Demis Volpi für 22. März an. Dramatisierungen der Roman-Vorlage erstellten Horst Hawemann, Annette Trümper und Christopher Gottwald im Team sowie Nina Achminow. Die Verfilmung, die allerdings zu viel "Harry Potter" und zu wenig Preußler ist, besorgt der Regisseur Marco Kreuzpaintner. Der Defa-Film "Die schwarze Mühle" hingegen basiert nicht auf Preußlers Roman, sondern auf dem des sorbischen Schriftstellers Jurij Brězan.