Vor 75 Jahren war laut Brecht "ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen", heutzutage schrumpfen Viehbarone und Holzhändler den Regenwald, weshalb es bloß eines entsprechenden Verweises bedürfte, um Naturlyrik zu rechtfertigen.
Doch darauf verzichtet Hannes Vyoral. Statt von Amazonien und Sumatra berichtet er von Wallern und Podersdorf: "die letzte linkskurve / zum gartentor hin / im abbremsen absteigen / die hand an der klinke / die nase im flieder / daheim".
Rund vierzig Jahre nachdem Bernhard C. Bünker in "De ausvakafte Hamat" intensiv den Verlust regionaler Identität beschrieben hat, wendet hier ein Autor der Eventkultur einfach den Rücken zu und konzentriert sich auf ein paar Quadratmeter Lebensraum. "ein einziges mal / etwas erfinden / das den frühlingsblüten gleicht", möchte er. Da kann man sich Achim von Arnim vorstellen, der auf einen Plausch an den Gartenzaun kommt. Dass Vyoral seine Gedichte nach dem Werden und Vergehen der Pflanzen anordnet, hätte dem Herrn von Wiepersdorf wohl gefallen. Und Brecht hätte es zumindest verstanden, denn "Fast ein jeder hat die Welt geliebt / Wenn man ihm zwei Hände Erde gibt".
Der Bezug zur Romantik ist jedoch nur eine Ebene. Was die Texte auszeichnet, ist das wortkarge Einfangen von Augenblick in der Nachbarschaft oft missverstandener Formen wie dem Haiku und dem Rubāʿī.
Der tote Hase im Straßengraben, der blühende Teppich unter den Pfingstrosen, der langsame Rückzug des Sommers sind die Anlässe, auf denen er seine Miniaturen zwischen augenblicklichem Erleben und (Selbst)Erkenntnis in der Schwebe hält. Nach einer Frühstücksrunde oder einer Tagesausfahrt "kehre ich heim / als derselbe / der die brote belegte / und den rucksack packte / und aufbrach". Was freilich schon durch die Reflexion und das Abfassen des Gedichts nicht mehr möglich ist. Oder gerade deswegen?