Bisher kennt man David Safier vor allem als guten bis mittelmäßigen Satire- und Komödienautor von Büchern und TV-Serien. Doch mit seinem jüngsten Werk, "28 Tage lang", beschreitet der 47-jährige Deutsche ein neues Genre und wächst dabei über sich hinaus. Denn er schildert den Aufstand im Warschauer Ghetto im April und Mai 1943 aus der Sicht der 16-jährigen Jüdin Mira.

Die Figur ist bewusst fiktiv, sagt Safier, dessen Großeltern von den Nationalsozialisten ermordet wurden, weil er sich hier mehr künstlerische Freiheiten nehmen konnte als bei einer realen Figur.

Und doch: Gerade die Szenen und Handlungen, die dabei so wirken, als müssten sie erfunden worden sein, weil die Realität doch nicht so grausam sein kann oder sein darf, stammen laut Safier aus Augenzeugenberichten von Überlebenden aus dem Ghetto, das im Zuge des Aufstandes vernichtet wurde. Und zwar fast eine halbe Million Juden, von denen sich rund 50.000 zur Wehr setzten.

Es ist also starker Tobak, den sich Safier als Grundlage ausgesucht hat, und er widersteht der Versuchung, die ohnehin eigentlich unfassbaren Ereignisse mit zusätzlichem Pathos zu hinterlegen. Im Gegenteil, zeigt sich doch gerade in der eher banalen Schilderung der Ereignisse aus der Sicht einer Jugendlichen, die erst nach und nach begreift - und dabei bis zuletzt kaum glauben kann, was sie da begreift -, die Brutalität des Holocaust und die Ausweglosigkeit der Situation.

So steht Mira nicht nur einmal vor der grausamen Wahl, ob sie sich selbst in Sicherheit bringen und ihre Begleiter dem sicheren Tod überlassen soll, oder ob sie mit ihnen sterben soll. Denn eine dritte Option gibt es einfach nicht. Mira fragt sich immer wieder, was für ein Mensch sie sein will - ein Leitmotiv, das sich durch Safiers Buch zieht, und zwar als ernst gemeinte Frage an den Leser und nicht als erhobener Zeigefinger eines Moralisten.

Und das Buch ist voller Szenen, die zu Tränen rühren, ob der Hilflosigkeit, die sogar der Leser 70 Jahre nach den Ereignissen gegenüber der mörderischen SS empfindet. Man möchte förmlich den Lauf der Geschichte verändern, freilich im dumpfen Wissen, dass das Ganze wirklich einmal so passiert ist. Unabänderlich. Unfassbar. So unfassbar wie der gesamte Holocaust in seinen unmenschlichen Ausformungen, nicht nur für Nachgeborene. Doch Safier schafft es zumindest, ihn zwar vielleicht nicht fassbarer, aber zumindest ein bisschen greifbarer zu machen.

Der Autor liest am 30. März um 11 Uhr im Theater in der Josefstadt aus seinem Buch.

David Safier: 28 Tage lang. Roman. Kindler, München 2014, 416 Seiten, 17,50 Euro.