"Wer ein Buch über diese Weltgegend schreibt, wird scheitern." Spannt der erste Satz in Andreas Altmanns Buch über Palästina bereits das erste Band für ein gut geknüpftes Sicherheitsnetz? Nein, er verweist nur darauf, dass Palästina auch in schriftstellerischer Hinsicht Krisengebiet ist. Minen überall, die jederzeit ein gut durchdachtes Konzept in wirre Einzelteile zerfetzen können.
Wie soll man in einer Gegend der allseitigen politischen und sozialen Ungerechtigkeiten, inmitten des Nahostkonfliktes, dem Thema gerecht werden?
Altmann nimmt die Herausforderung an, nicht als Weltverbesserer und Besserwisser, sondern aufmerksam und achtsam, aber dennoch gewohnt selbstbewusst.
Das Schreiben, seine geliebte Sprache, hat er dabei auf seiner Seite, sie ist sein Schutzschild gegen Borniertheit und Starrsinn: "Mit dem Schreiben über das Unglück kommt das Glück, nein, das nicht, aber etwas wie: das Schwerwiegende aushalten. Denn mit jedem Wort wird die Welt leichter, weniger zudringlich."
Wobei "Altmann im Heiligen Land" ein Abenteuer mit besonderen Spannungselementen darstellt. Ihm ist doch auch hier nichts heilig, oder? Tatsächlich begegnen ihm an allen Ecken predigende und fanatische "Religioten", wie er sie nennt. Aber es gibt auch viele Begegnungen mit differenzierenden, reflektierenden, sensiblen Menschen, Begegnungen, die nicht an der Oberfläche bleiben. Während sich andere noch fragen: "Bombe oder keine Bombe?", stellt Altmann die Frage nach dem Glück und löst damit seelische Detonationen aus.
Derartige Offenheit ist immer entwaffnend, auch in einer Gegend mit so viel Waffenpräsenz. Die palästinensische Tragödie ist dennoch in jeder Zeile präsent, gerade oft auch in schönen Momenten. Trost spenden die vielen "kleinen" Gesten und Handlungen, z. B. wenn israelische Frauen regelmäßig palästinensische Kinder für einen Tag zum Baden ans Meer einladen.
Altmann wagt sich auch diesmal in kritische, nicht ungefährliche Situationen, aber er ist kein abgebrühter Irrläufer, der leichtsinnig seine Existenz aufs Spiel setzt, weder seine leibliche noch seine künstlerische. Er schildert seine Erlebnisse wie in allen seinen Reisebüchern aus konsequent subjektiver Sicht, erzählt Geschichten, spricht mit Juden, Muslimen und Christen und verteilt seine Sympathien nach menschlichen Gesichtspunkten und nicht nach Staats- oder Religionszugehörigkeiten. Er lässt sich mitreißen, macht aus seiner Abscheu gegenüber politischer Arroganz kein Hehl und zeigt, dass das Private nicht vom Politischen zu trennen ist. Auch maßt er sich kein betroffenes Mitempfinden an, aber er bleibt dran an den Menschen und Ereignissen.
Manchmal braucht es dazu weder große Aktionen noch große Worte: "Ich gehe auf einer Straße, die nur von den Siedlern benutzt wird, eine der vielen separation roads. Nur Autos und Lastwagen, keine Fußgänger. Irgendwo bellt ein Hund und er bellt wie einer, der jeden hasst, der vorbeikommt."
Andreas Altmann: Verdammtes Land - Eine Reise durch Palästina. Literarische Reportage. Piper Verlag, München 2014, 300 Seiten, 20,60 Euro.