"Oral history", die von Zeitzeugen erzählte Geschichte, zählt zu den authentischsten, dankbarsten und zugleich spannendsten Methoden, lang zurückliegende, aufgrund ihrer Komplexität oft unverständliche Ereignisse einem zeitgenössischen Publikum, allen voran der Jugend, näherzubringen. Dazu bedarf es einigen Aufwandes, ist es doch heute vor allem mit Blick auf die wechselvolle wie prägende Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keineswegs einfach, wissende und willige Zeitzeugen zu finden, die gesundheitlich wie auch emotional in der Lage sind, über ihre oft schmerzvolle Vergangenheit zu sprechen.

Birgit Mosser-Schuöcker ist es noch einmal gelungen. Ein letztes Mal bittet sie in ihrem Buch, das gleichzeitig einen wertvollen Beitrag zum Gedenkjahr 1914 darstellt, "die letzten Zeugen" einer vergessenen, aber für Österreichs Geschichte sehr prägenden Zeit in den Zeugenstand: "Vom Kaiserreich zum Anschluss" hat sie diese (kommentierte) Sammlung von Interviews, ergänzt durch schriftliche Aufzeichnungen von Intellektuellen sowie durch Zeitungsartikel, genannt - und das nicht ohne Grund. Denn worum es Mosser-Schuöcker geht, ist nicht die bloße Nacherzählung staatspolitischer Ereignisse, sondern die Vermittlung von Stimmung, Emotion, Farbe und die Erweckung historischer "Jahreszahlen zum Leben", wie sie im Vorwort schreibt. Vier Ziffernpaare - 1918 und 1938 - werden so dank der Zeitzeugenberichte mit Bildern aufgeladen, die kein Foto, Ton- oder Filmband herstellen könnten. Und das ist ja auch das Wesen jeder Literatur.

Sachbuch

Die letzten Zeugen - Vom Kaiserreich zum Anschluss

Birgit Mosser-Schuöcker

Amalthea, 284 Seiten, 22,95 Euro