"Die Herausforderung für die postmoderne Welt besteht darin, sich an doppelte Standards zu gewöhnen. Solange wir unter uns sind, arbeiten wir auf Grundlage von Gesetzen und offener, kooperativer Sicherheit. Aber wenn wir es mit eher altmodischen Staaten außerhalb des postmodernen Kontinents Europas zu tun haben, müssen wir zu den eher raueren Methoden früherer Zeiten zurückkehren - Gewalt, präemptive Attacken, Täuschung, was immer es braucht, um mit denen umzugehen, die noch wie im 19. Jahrhundert jeder in einem Staat für sich leben. Unter uns halten wir uns an die Gesetze, aber wenn wir im Dschungel operieren, müssen wir die Gesetze des Dschungels anwenden."

Das verstörende Zitat stammt nicht aus dem imperialistischen 19. Jahrhundert, es stammt auch nicht aus dem Russland Wladimir Putins. Es wurde im 21. Jahrhundert vom hochrangigen britischen Diplomaten Robert Cooper formuliert. Der ist ein Mitglied des renommierten Think Tanks "European Council on Foreign Relations", war Berater des britischen Ex-Premiers Tony Blair, der ehemaligen Außenbeauftragten der EU, Catherine Ashton - und ein "maßgeblicher Architekt der EU-Außen- und Sicherheitspolitik", wie Mathias Bröckers und Paul Schreyer scheiben. Sie führen das Zitat in ihrem Buch "Wir sind die Guten" als Beleg dafür an, dass der Westen auch heute noch eine offensive Machtpolitik wie zu unseligen Zeiten treibt - trotz der stets angeführten Beteuerungen, man trete nur für Demokratie und Menschenrechte ein.

Diese moralisch unterfütterte Selbstpräsentation von USA und EU im neuen Ost-West-Konflikt mit Putins Russland stellen die beiden deutschen Journalisten massiv infrage. Sie beschreiben die transatlantischen Think Tanks, die eine durchaus robuste Politik in Osteuropa und anderswo vorantreiben, die Instrumentalisierung von NGOs, die sechzig Jahre lange Erfahrung der CIA in der Ukraine, die Lobbynetzwerke. Nach der Lektüre des Buches drängt sich der Eindruck auf, dass die USA den Kalten Krieg nur rhetorisch beendeten und den Zusammenbruch der Sowjetunion als Chance betrachteten, die eigene Einflusssphäre auszudehnen.

Themen, denen die westliche Presse kaum Raum gibt

Die Stärke des Buches von Bröckers und Schreyer liegt darin, dass es jene Themen behandelt, denen in der westlichen, besonders in der deutschsprachigen Presse in der Regel nur wenig bis gar kein Raum gewährt wird - etwa den geopolitischen Plänen der USA, die nach einem alten atlantischen Konzept danach trachten, die Entstehung einer starken Gegenmacht auf dem eurasischen Kontinent mit allen Mitteln zu verhindern.

Bröckers und Schreyer widmen sich ausführlich diesem neuen "Great Game", in dem der Ukraine nach den Worten des US-Geostrategen Zbigniew Brzezinski eine Schlüsselstellung zukommt. Sie beschreiben, wie die USA in diesem Zusammenhang die zahlreichen Andockversuche Russlands an Europa von Gorbatschow bis Putin aus Eigeninteresse hintertrieben haben. Und sie erinnern auch an die zahlreichen offenen Fragen in dem aktuellen Konflikt in der Ukraine - etwa an den Umstand, dass immer noch ungeklärt ist, wer jene Scharfschützen waren, die das Blutbad auf dem Maidan in Kiew wesentlich mitverschuldeten, das in Februar zum Sturz von Präsident Wiktor Janukowitsch führte.

Gelegentlich schießen Bröckers und Schreyer über das Ziel hinaus. So zweifeln sie zwar mit Recht am nationalen Mythos vom geeinten ukrainischen Volk. Die Behauptung, dass die ukrainische Sprache "nichts anderes als Russisch mit ein paar abgeleiteten Vokalen" ist, ist freilich nicht haltbar. Überhaupt merkt man, dass sich die Autoren gewöhnlich weniger mit Russland und der Ukraine, sondern stärker mit der westlichen Führungsmacht USA und ihren Missetaten beschäftigen - dennoch: Das packend geschriebene, gut mit Belegen unterfütterte Buch füllt eine Leerstelle, die die westlichen Medien offengelassen haben.