Schon immer war Milan Kundera einer der großen Erotiker der neueren Literatur. Mit selbstbewusstem Männlichkeitsgestus erzählte er von den Triumphen und Niederlagen der irdischen Liebe, eingeschlossen die Verwicklungen der geschlechtlichen Paarungen in unerschöpflichen Abwandlungen.

Diesmal legt der 1929 in Brünn geborene und seit vielen Jahren in Paris lebende Autor ein Schäuferl nach: Er lässt vier alternde Herren und zwei Zaungäste ihre Eigentümlichkeiten und Marotten pflegen, und das geht bei einem der Beteiligten so weit, dass dieser, um seinem schwindenden Narzissmus zu frönen, eine Krebserkrankung erfindet: Sogleich steht er wieder im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Anziehungsvokabular

Ein anderer Alltagsheld namens Alain ist verwirrt, wenn er durch die Straßen von Paris flaniert. Da staunt er über eine Mode der Mädchen, die mittlerweile schon Karl Lagerfeld hoffähig gemacht hat: die Entblößung des Nabels. Wie soll ein Mann, denkt Alain, diese neueste Verlockung des Weibes in seinem erotischen Anziehungsvokabular unterbringen? Nach Schenkel, Busen, Gesäß nun der Nabel, dieses nüchterne Symbol der vollbrachten Geburt? Er bezweifelt zu Recht dessen erotische Durchschlagskraft, vermutet eher Flucht in Kindlichkeit und Regression. Darin kennt er sich aus, hat ihn doch seine Mutter Knall und Fall verlassen, als er zehn Jahre alt war. Seither sucht er lebenslang nach ihren Antworten, Erklärungen, nach ihrer verweigerten Liebe.

Ramon hingegen, ein ehemaliger Professor, hat ein weit geringeres Problem: Immer wieder nimmt er Anlauf, um im Musée du Luxembourg die gefeierte Marc-Chagall-Ausstellung zu sehen. Und immer wieder kehrt er beim Anblick der anstehenden Menschenschlange verzagt um. Die Massenbewegung, auch in Richtung Kunst, ist ihm ein Zeichen schwindender individueller Erlebnisfähigkeit.

Nach der vermeintlich unerträglichen "Leichtigkeit des Seins" nun also "Das Fest der Bedeutungslosigkeit": Variation auf ein und dieselbe, auf Lebenserfahrung gestützte Grundhaltung. Kunderas Romane sind seit jeher Vorratskammern der ernsthaften Leichtlebigkeit und humorgestärkten Nonchalance. Man merkt ihrer vom französischen Esprit getragenen Gelassenheit an, dass diese Haltung einer ungleich schwierigeren existenziellen Sphäre abgerungen ist: der Glücklosigkeit im ehemals kommunistisch beherrschten Zwinger Osteuropas.