Das Jahr 1945 hat die ganze Welt verändert und damit auch das Leben unzähliger Menschen. Besonders prägend war es für den österreichischen Politiker Leopold Figl, der damals buchstäblich, wie es im Untertitel eines neuen Buches heißt, "von der Todeszelle auf den Ballhausplatz" wechselte.
Dem Historiker Helmut Wohnout gelingt in diesem sorgfältig recherchierten Werk eine lesenswerte Darstellung der damaligen Situation im Land - über das im Vordergrund stehende persönliche Schicksal Figls hinaus. Die Not der Bevölkerung, der Aufbau von Infrastruktur und Grundversorgung, die Entwicklung des politischen Lebens, die Verhandlungen mit den Alliierten - mit all dem war Leopold Figl in diesem Jahr konfrontiert. Sein Beitrag zum Wiedererstehen Österreichs aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs ist heute über Parteigrenzen hinweg unbestritten.
Hatte das Jahr für Figl im Isoliertrakt des Konzentrationslagers Mauthausen begonnen, so endete es für ihn im Bundeskanzleramt. "Ein Kanzler aus Dachau", schrieb die "Daily Mail" am 10. Dezember. Belegt ist, dass Figl im Radio eine Silvesteransprache hielt. Ob seine legendäre Weihnachtsrede "Ich kann euch zu Weihnachten nichts schenken", wie sie 1965 aufgezeichnet wurde, 1945 im Radio wirklich so gehalten wurde, kann Wohnout nicht bestätigen. Der Text vereinige jedenfalls "in komprimierter Form die wichtigsten Passagen seiner Regierungserklärung" vom 21. Dezember 1945. In einem ist sich Wohnout aber sicher: "Als Politikertypus passte Leopold Figl haargenau in die Situation des Jahres 1945."
Sachbuch
Leopold Figl und das Jahr 1945
Helmut Wohnout
Residenz, 224 Seiten, 21,90 Euro