Der Zukunftsroman, eigentlich ein Genre der Trivialliteratur, hat in letzter Zeit eine bemerkenswerte Renaissance erlebt, man denke insbesondere an Reinhard Jirgls "Nichts von euch auf Erden" oder Georg Kleins "Die Zukunft des Mars", zwei in mancher Hinsicht anspruchsvolle Romane, die 2013 erschienen sind.

Nun greift auch Leif Randt weit in die Zukunft aus, um uns seine dystopische Vision einer postapokalyptischen Welt vorzulegen. Es handelt sich dabei sozusagen um einen Quantensprung von seinem vor fünf Jahren erschienenen Roman, dem vielgelobten "Schimmernder Dunst über Coby County". Die gnadenlos oberflächliche Glitzerwelt der imaginären Wohlfühlenklave mit US-Anstrich, die Randt in seinem vorherigen Roman so evokativ schilderte, wird nun ausgewalzt auf eine sechs Planeten umfassende Glücksgalaxie.

Glücksgalaxie


Diese wird postdemokratisch reguliert durch ein Computersystem namens ActualSanity, das die interplanetare Verteilung der verfügbaren Ressourcen regelt. Als ein auf Statistik basierendes System, das vorgeblich nach rationalen, dabei aber nicht immer durchschaubaren Kriterien vorgeht, schafft dies einen Rahmen, der unter den Menschen für eine stete Unsicherheit sorgt, ob nicht in Wirklichkeit undurchschaubare Kräfte hinter allem stecken. Na klar: Der Paranoia gehört, aus guten Gründen, die Zukunft!

Die Handlung in Leif Randts turbulentem Roman springt - ganz wie in "Star Wars"-Filmen, auf die gelegentlich subtil angespielt wird - in jeder Episode von einem Himmelskörper zum nächsten. Sowohl ein Glossar wie eine Planetenkarte helfen dem Leser dabei, den Überblick in der fiktiven Galaxis nicht zu verlieren. Am Ende landen wir dann auf Toadstool, dem verseuchten Müllplaneten am Rande des Planetensystems. Dort trifft Marten Elliot, der Held des Romans, endlich auf seine Nemesis: ein mysteriöses Mädchen, das eine Tigermaske trägt und gerne Döner isst. Sie ist die undurchschaubare Anführerin des sogenannten Kollektivs der Hanks.

In Randts "Planet Magnon" ist die Gesellschaft nämlich zerfallen in kastenartig gegliederte Sekten mit eigentümlichen Namen, deren infantile Rituale und codierte Gruppendefinition nach Kleidungsstilen oder Redeweisen nicht wenig an die fraternities von US-Unis erinnern. Marten Elliot ist ein "Spitzenfellow" des Kollektivs der Dolfins, die versuchen Adepten zu gewinnen für ihr Konzept, Leid zu unterdrücken durch entgiftende Selbstreinigung, Meditationsübungen und die kalkulierte Einnahme der synthetischen Droge Magnon. In der von Randt erdachten Zukunft wird man also einfach dadurch glücklich, dass man sich einredet, es bereits zu sein und allfällige Zweifel mit Hilfsmitteln unterdrückt. Klingt durchaus vertraut, nicht wahr?

Gegen das allgemeine Glücksdiktat in dieser schönen neuen Welt opponiert nur das Kollektiv der Hanks mit allen Mitteln für das individuelle Recht aufs Unglücklichsein. Der Roman erzählt von Martens zentraler Mission, die Hank-Anführerin zu finden und mit ihren umstürzlerischen Ideen in die Schranken zu weisen. Doch je länger seine Suche dauert und je näher er dieser Masken-Frau kommt, desto mehr regen sich Zweifel in Marten an dem Selbstverleugnungsprogramm, das die Grundlage des Dolfin-Kollektivs bildet.

Regulierte Welt


Das Entfremdete seiner Lebensweise spürbar zu machen, welches Marten gar nicht richtig bewusst ist, gehört zu den großen Stärken dieses Romans von Leif Randt. Denn so verbindet sich die schrittweise Selbstfindung der Romanfigur mit der zunehmenden Einsicht des Lesers.

Wir beobachten ein zunächst noch äußerst fremd wirkendes Wesen auf einem fernen Planeten, erkennen jedoch dann immer deutlicher uns selbst in dem Pro-tagonisten - und in der schaurig regulierten Welt von "Planet Magnon" die durchaus mögliche Version einer zukünftigen Gesellschaft.

Leif Randt

Planet Magnon

Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015, 304 Seiten, 20,70 Euro.