(ski) "Die erste Frau im Vatikan war eine Jüdin." Als Gudrun Sailer in einem Interview diesen Satz über die Archäologin Hermine Speier (1898-1989) hörte, startete die Journalistin aus Österreich sofort eine Recherche. Wie sie herausfand, entsprach die Aussage nicht ganz der Wahrheit: Die erste offiziell im Vatikanstaat beschäftigte Frau war 1915 die Hilfsarbeiterin Anna Pezzoli, erst als dreizehnte kam Hermine Speier zu einer Vatikan-Anstellung, aber als erste Akademikerin, als erste Nichtitalienerin - und als erste Jüdin.
Natürlich spielten in der Kirchenzentrale schon viel früher - etwa Lucrezia Borgia oder zahllose Ordensfrauen, die Kardinälen den Haushalt besorgten - weibliche Wesen eine Rolle. Sailer stützt sich, wie sie selbst schreibt, nur auf die Akten des Vatikanstaates. Die gebürtige Frankfurterin Hermine Speier studiert in Heidelberg, verliert als Jüdin 1934 ihren Posten am Deutschen Archäologischen Institut in Rom, kann aber dank ihres Lehrers Ludwig Curtius in den Vatikan wechseln. In den dortigen Museen baut sie die Fotothek auf und erringt große Anerkennung für ihre Arbeit. Dass sie 1939 Katholikin wird, bringt sie in Konflikt mit ihrer Familie. Versteckt in einem Kloster, überlebt sie die Judenverfolgung der deutschen Besatzer und den Krieg. Einige Jahre ist Hermine Speier mit dem italienischen Nationalhelden Umberto Nobile verlobt, es kommt aber nicht zur Ehe. Über das spannende Leben dieser Frau hat Gudrun Sailer, die sich bereits 2008 mit dem Buch "Frauen im Vatikan" einen Namen gemacht hat, nun eine exzellente Biografie vorgelegt.
Sachbuch
Monsignorina. Die deutsche Jüdin Hermine Speier im Vatikan. Gudrun Sailer Aschendorff Verlag, 2015,
384 Seiten, 20,40 Euro