Sein Buch "Aufschrei!", das er selbst ein "Pamphlet" nennt, polemisiert kräftig, aber nur selten über das Ziel hinausschießend, "wider die erbarmungslose Geldgesellschaft". Völlig unverblümt kritisiert der Autor Flüchtlingselend, Heucheleien der Mächtigen, Europas Versagen, Macht- und Geldgier. Für den 80-jährigen Norbert Blüm, jüngst selbst am griechischen Hotspot Idomeni, ist es kein gottgegebenes Schicksal, wenn ein Dreijähriger tot am Meeresstrand liegt, wenn 71 Menschen in einem Kühltransporter qualvoll sterben: "Wir, die Menschen, sind die Macher der Not und des Elends auf der Welt."

Es müsse einen Aufschrei geben, "der von der Empathie der Herzen ausgelöst wird, und die stellt bisweilen klügere Fragen als der kühl kalkulierende professionelle Sachverstand". Blüm stellt kluge Fragen zu heiklen Themen: Wer verdient am Waffenhandel? Was unterscheidet den Klimahandel, mit dem man sich vom Klimaschutz freikaufen kann, vom unseligen Ablasshandel zur Zeit Luthers? Wollen wir Europäer "die privilegierte Besatzung einer Wohlstandsinsel" sein?

Blüm begleitete von 1982 bis 1998 als deutscher Minister für Arbeit und Sozialordnung als einziges Regierungsmitglied die ganze Kanzlerschaft von Helmut Kohl. Der engagierte Christdemokrat, unermüdlicher Verfechter der katholischen Soziallehre, weist als leidenschaftlicher Europäer jeden Nationalismus zurück. Das Buch beendet, im Ton etwas moderater, ein Interview mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Sachbuch

Aufschrei!

Von Norbert Blüm

Westend Verlag, 2016

192 Seiten, 18,50