
Eins muss man den Berlinern lassen. Tiernamen geben, das können sie. Erst kürzlich wieder wurde ein Eisbärbaby kurzerhand Fritz getauft. Auch früher machte man sich liebevolle Gedanken, welcher Name zu Tier und Stadt gleichermaßen passen könnte. Ergebnis ist zum Beispiel Knautschke, ein Nilpferd. Es war eines von wenigen Tieren, die den Bombenangriff, der den Berliner Zoo 1943 verwüstet hat, überlebt haben. Knautschke sollte nach dem Krieg für den Weiterbestand der Flusspferd-"Familie" sorgen. Dass er das durch eine inzestuöse Beziehung mit seiner eigenen Tochter tat, war damals egal. Das besagte Weibchen hieß übrigens: Bulette.
Dass Bulette wiederum überhaupt entstehen konnte, war einer Zusammenarbeit zwischen West und Ost geschuldet. Die wackere Berliner Nachkriegs-Zoodirektorin Katharina Heinroth lud ihrem Nilpferd Damenbesuch (Grete und Olga) aus der DDR, aus dem Leipziger Tierpark ein.
Aber nicht immer sollte der Kalte Krieg sich in tierischen Angelegenheiten so klaglos unterwandern lassen. Davon erzählt Jan Mohnhaupt in seinem kurzweiligen Buch "Der Zoo der anderen". Es handelt im Wesentlichen von den zwei Berliner Zoos - also "Zoologischer Garten" im Westen und "Tierpark" im Osten. Anfang der 50er Jahre beschließt das Politbüro in Ost-Berlin, durchaus auch von der steigenden Zahl der Flüchtenden und vereinzelten Aufständen "inspiriert", dass man vom Volk nicht nur fordern könne, sondern ihm auch etwas bieten müsse. Deshalb sollte Ost-Berlin seinen eigenen Tierpark, ein Prestigeprojekt für die Staatsführung der DDR, bekommen.
Brillenbären von der Stasi
Gebaut wird er, rund um das Schloss Friedrichsfelde, praktisch auch vom Volk selbst, das in rund 100.000 Arbeitsstunden freiwillig mithilft. Im Sommer 1955 wird er - ziemlich halbfertig - eröffnet. Aber das Wichtigste ist da: Tiere. Sie sind vor allem Spenden von DDR-Betrieben, wie dem "VEB Kälte", der Eisbären stiftet. Und auch die Stasi, genauer das Wachregiment Berlin des Ministeriums für Staatssicherheit beteiligt sich: mit zwei Brillenbären.
Zwischen den Direktoren der beiden Berliner Zoos entwickelt sich bald eine veritable Rivalität. Wer hat die exotischsten Tiere, wer hat die schönsten Anlagen, wer hat mehr (geldbringenden) Einfluss in der Politik.

Der Ostberliner Tierpark ist mit 90 Hektar zu seiner Zeit der größte der Welt und drei Mal so groß wie der in Westberlin. Sein Direktor Heinrich Dathe kann aber gar nicht so viel anfangen mit der Riesenfläche, weil der Rohstoffmangel alle Bauprojekte torpediert. Die Raubkatzen logieren in einem alten Eisenbahnwaggon und auch die Elefanten haben zu wenige Unterkünfte. Das zwei Jahre alte Weibchen Kosko lebt deshalb frei am Tierparkgelände, zur Freude der jungen Besucher, die mit ihr um die Wette rennen.