
Jetzt hat sich Arno Geiger in die Literatur dieses Jahrhunderts eingeschrieben. Sein neuer Roman, "Unter der Drachenwand", veranstaltet eine grandiose Feier des Lebens vor dem Hintergrund allgegenwärtigen Sterbens, ein Märchen von Liebe in liebloser Zeit, dessen schönster Moment auf den letzten Seiten des Buchs stattfindet. Auf ihnen enthüllt Arno Geiger: Das Märchen ist wahr.
Arno Geiger, am 1968 in Bregenz geboren, seit 1993 freier Schriftsteller in Wien, hat für den Roman "Es geht uns gut" (2005) den Deutschen Buchpreis bekommen. Mit "Alles über Sally" (2010) und "Der alte König in seinem Exil" (2011) etablierte er sich als ein Fixpunkt der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Nur "Selbstporträt mit Flusspferd" (2015) wurde von der Kritik zerzaust. Beispielhaft meinte Sigrid Löffler im Deutschlandradio Kultur: "Es geht Arno Geiger wieder einmal um die Banalität des zeitgenössischen Lebens in unserer Gesellschaft. Das Elend dieser Banalität auf nicht-banale Art zur Sprache zu bringen, ist Geigers literarisches Problem, an diesem Trivialitäts-Dilemma arbeitet er sich ab. Wie schreibt man auf nicht-langweilige Art über langweilige Existenzen?" Als wäre es nicht das Vermögen der Dichtung, jeder banalen Existenz das Besondere abzutrotzen.
"Unter der Drachenwand" begegnet dem Vorwurf der Banalität ohnedies, indem Geiger eine von vorneherein außergewöhnliche Situation wählt und sie zugleich, darin besteht die subtile Wider-ständigkeit des Romans, unterläuft. Die außergewöhnliche Si-tuation ist der Zweite Weltkrieg, im Wesentlichen das Jahr 1944.
Das Unterlaufen der außergewöhnlichen Situation macht die Handlung des Romans aus, der nicht die Kriegsgräuel an der Front thematisiert, sondern das Leben im Hinterland, in der Ortschaft Mondsee. Dort will der Ich-Erzähler und Protagonist, der etwas über 20 Jahre alte Veit Kolbe, eine Verwundung auskurieren. Der Krieg hat wie eine ansteckende Krankheit alles Leben infiziert und eine Schein-Normalität erzeugt: "Die Atmosphäre im Dorf war weiterhin geprägt von der keifenden Quartierfrau, überfliegenden Bomberstaffeln, Todesfällen, Latrinengerüchten und Stromausfällen." Also doch wieder Banalität - nur diesmal im Krieg?
In Wahrheit ist "Unter der Drachenwand" eine große Geschichte von der Liebe und vom Tod, von den beiden Triebkräften, aus denen alle bedeutende Literatur besteht. Zur Banalität wird das in schlimmen Fällen nur von schlechten Autoren hinabgeschrieben, in noch schlimmeren von Kritikern dazu erklärt, um einem Autor damit etwas am Zeug flicken zu können.