In Österreich wie anderswo waren die Nachkriegsjahre vom Kalten Krieg geprägt. Dabei handelte es sich nicht nur um einen Hegemonialkampf der beiden Großmächte USA und UdSSR, sondern auch um eine Systemkonkurrenz: Kapitalismus - Sozialismus.
Wie sich der Kalte Krieg in der österreichischen Literatur darstellte, das wird in einem gewissenhaft recherchierten Band gezeigt, der bei Böhlau erschienen ist. Stefan Maurer, Doris Neumann-Rieser und Günther Stocker untersuchen die Literatur, die sie als "Territorium der Imagination" auffassen, und finden dabei sehr viel mehr Spuren des Kalten Krieges, als den gewohnten literarhistorischen Überblicken geläufig ist. Desiree Heben-streit hat überdies im Anhang ein brauchbares "AutorInnen-Lexikon" erarbeitet, das knapp und übersichtlich über die wichtigsten literarischen Akteure informiert.

Die Verfasser richten ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf die sogenannte Hochkultur, sie beachten auch Kinder- und Jugendbücher, Agententhriller und vieles andere. Geordnet wird das Ganze nach Motivgruppen, ein Kapitel beschäftigt sich mit der Gegenüberstellung Materialismus - Christentum, ein anderes mit der wechselseitigen atomaren Bedrohung. Das Buch ist leider nicht frei von germanistischen Stilblüten wie "Hinsichtlich der Verunmöglichung der Realisierung des Konzepts Liebe unter den Bedingungen der totalitären Diktatur". Es überzeugt aber durch Materialfülle und eine einsichtige Deutungsperspektive.
Origineller Vergleich
Der Band "Das Geschlecht der Seele" wurde von der Schriftstellerin Karin Wieland verfasst. Er unterscheidet sich vom germanistischen Fachbuch auf den ersten Blick durch einen elegant-essayistischen Stil, auf den zweiten durch eine originelle Themenstellung, die zünftigen Literaturwissenschaftern nicht unbedingt in den Sinn käme. Wieland nimmt sich zweier Autoren an, die üblicherweise in unterschiedlichen Zusammenhängen abgehandelt werden: Da ist zunächst Hugo von Hofmannsthal, den die Autorin mit den Worten charakterisiert: "An eine Rokokofigur erinnert er. Willenstärke und Tatendrang sind ihm fremde Begriffe. Für das 19. Jahrhundert ist er damit schlecht, für das 20. miserabel ausgestattet."
Dieser unzeitgemäße Ästhet wird nun mit Bert Brecht verglichen, über den es bei Wieland heißt: "Wie die grellen Huren, die brutalen Schiebervisagen und elenden Straßenkrüppel auf den Bildern von George Grosz, wie der Furor der Dadaisten, die Gründung des Völkerbundes, die unheimlichen Filmfiguren Nosferatu und Caligari gehören auch Brechts Stücke zur Neugründung der Welt nach dem Krieg".