Andreas Maier ist ein verlässlicher Schriftsteller. Ähnlich wie bei Wilhelm Genazino oder Martin Walser weiß man schon im Vornherein, was man von seinen Büchern zu erwarten hat. Das gilt erst recht für sein elfteiliges autobiographisches Projekt, das er seit acht Jahren mit einiger Chuzpe betreibt: Anstatt, wie etwa Gerhard Roth in "Das Alphabet der Zeit", seine Kindheit und Jugend nach jahrelanger Schreibarbeit auf fast 900 Seiten auszubreiten, veröffentlicht Maier in kurzen Abständen jeweils schmale Bände mit bündigen Titeln, in denen er von bestimmten, kurzen Zeitabschnitten erzählt. Eine Lebensselbstbeschreibung in Bruchstücken. Man kann an jeder Stelle dieses "work in progress" einsteigen.

Den Anfang des autobiographischen Projekts machte 2010 "Das Zimmer", ein Roman über Maiers hessische Heimatgegend, die Wetterau bei Frankfurt. Darauf folgten "Das Haus" (2011), "Die Straße" (2013), "Der Ort" (2015) und "Der Kreis" (2016). Der nun erschienene Band 6 heißt "Die Universität". Allerdings gehört es zum ironischen Spiel von Maier, eher wenig von seinem Studium zu erzählen. Sein Erzähler trägt jedenfalls den Namen Andreas und studiert wie der Autor zunächst Philosophie, dann Germanistik und Altphilologie. Die Schilderungen eines Philosophieseminars beim großen Transzendentalpragmatiker Karl-Otto Apel sind ein erzählerisches Glanzstück: Maier seziert die gruppendynamischen Prozesse, die sich daraus ergeben, dass Studenten um die Aufmerksamkeit des Professors buhlen, kategorisiert die Studententypen vom Schweiger bis zum Angeber und charakterisiert ironisch einzelne Kommilitonen, darunter den kaum verständliches Deutsch redenden Hegel-Japaner oder den sich distinguiert-aristokratisch gebenden James (der in Wirklichkeit einen deutschen Namen trägt).

An der Grenze zur Absurdität sind die in "Die Universität" rekapitulierten Episoden, in denen der Erzähler beispielsweise einen Arzt aufsucht, weil er vom Mensaessen schlimme Magenbeschwerden bekam, die sich nur durch Bierzufuhr wieder lösen lassen. Oder die Geschichte vom Erotikmagazin, das er in einem studentischen Mietzimmer findet und darin ein Nacktmodell entdeckt, das einer jüngst verflossenen Freundin täuschend ähnlich sieht, was den Erzähler nicht wenig irritiert.

Faszinierend ist die Episode, in der Maier berichtet - so es denn stimmt -, wie er vorübergehend als eine der Pflegekräfte gearbeitet hat, welche die Witwe Adornos versorgt haben. Gretel Adorno hatte nach dem Tod ihres Mannes einen Suizidversuch unternommen, der sie mental schwer beschädigt zurückgelassen hat. Sie beschimpfte und attackierte die Pflegekräfte körperlich. Maiers Bericht zeigt die Lebensverhältnisse in der von Belegexemplaren der Schriften des berühmten Philosophen vollgestellten, großbürgerlichen Wohnung. Während die Witwe wütende Verwünschungen gegen ihre Helfer ausstößt, klauen diese eifrig die teuren gebundenen Ausgaben des Philosophen.

Was sich dergestalt am Ende des Buches herausschält, ist die altbekannte Weisheit, dass nicht die Universität, sondern das Leben selbst die beste Schule ist. Eine andere bedenkenswerte Erkenntnis hat Andreas Maier dagegen als Motto an den Anfang des Buchs gestellt: "Ich, das ist der Mittelteil des Worts Nichts".